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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1
bracht, der Draht daran befestigt, die Aluminiumrolle, die wir allgemein als Handrolle bezeichnen wollen,
auf ihn gesetzt und mit ihr, unter Nachlassen des Drahts (der übrigens stets gespannt bleiben muss) nach
einem Orte südlich oder östlich vom Haspel gegangen, bis man den Drachen genau in Lee von sich, 50m
bis 100 m fern, hat und der Winkel zwischen den beiden Zweigen des Drahtes ungefähr einen halben rechten
beträgt; alsdann wird der Drache aufgelassen. Ist der Wind frisch genug, um ihn kräftig aufsteigen zu
machen, so steht alsdann zwar ein Druck von 20 bis 50kg auf der Rolle, aber man hat diesem auch nur
nachzugeben und schnell auf den Haspel zuzukommen, wobei der Drache sich vom Erdboden entfernt; ist
man am Haspel angekommen, so nimmt man die Handrolle vom Draht ab. Um die Drehbude dabei nicht
sogleich drehen zu müssen, stellt man sie beim Beginn schräg zum Winde, z. B. bei S-Wind stellt man sie
mit der Oeffnung nach ENE, und führt mit der Handrolle den Draht nach SE. Erst wenn die Handrolle
abgenommen ist, richtet man die Bude nach N. Dieselben Operationen, in umgekehrter Reihenfolge, macht
man beim Landen.
Da das Arbeiten mit der Handrolle leicht ist, so thut man bei beschränktem Raume gut, den Haspel
nicht in die Mitte, sondern an einen Rand des zur Verfügung stehenden Platzes zu setzen; natürlich wird
man dazu im Gebiet der vorherrschenden Westwinde die Westseite wählen, um möglichst oft direkt von
der Drehbude den Aufstieg bewirken zu können.
Die Figur 76 zeigt die Ausstattung dieser Handrolle in Hamburg. Ihre Dimensionen sind: Durch
messer 16 cm, Dicke 4mm. Bei h ist der Rahmen aufgeschnitten, so dass man den Draht auf die Rolle
legen kann; durch einen Haken wird der Schnitt geschlossen. Die zwei dicken Drähte //begleiten den
Rand der Rolle, ohne ihn zu berühren, und verhindern das Abspringen des Drahtes. Die Nebenfigur
veranschaulicht dieses. Ihre Enden ee sind miteinander und mit dem Achsenlager der Rolle verbunden.
Die Rolle ist aus Aluminium, die Führung aus Messing, der Handgriff ein Messingrohr, am unteren Ende
mit Blei ausgegossen, um die aufrechte Stellung der Rolle beim Gebrauch als Landungsrolle zu sichern.
Man könnte diese Rolle zwar auch während eines ganzen Aufstiegs, wie eine „Erdrolle“ beim Fesselballon
benutzen; aber in der Regel wird es bequemer sein, sie nur beim Auf lassen und Landen des Drachens zu
benutzen und sie vom Draht zu entfernen, wenn der Drache hoch schwebt.
Da diese Rolle mich noch nicht befriedigte, habe ich durch Prof. Marvin’s Vermittelung ein Exemplar
der im Systeme des Washingtoner Weather Bureaus eingeführten Aluminium-Landungsrolle erbeten und er
halten. Diese erwies sich als erheblich kleiner, nur 10 */* cm im Durchmesser, und nur mit tiefer Rille ver-
versehen, ohne besondere Sicherung gegen das Herausspringen des Drahtes. Durch ihre gedrungene Gestalt
ist diese Rolle kräftiger konstrüirt, als Fig. 76, und die Vorrichtung zum öffnen ist bequemer, als bei
dieser. Für die deutsche Südpolar-Expedition habe ich deshalb zwei Rollen nach diesem Muster, aber
aus Magnalium und mit der in Fig. 77 dargestellten Sicherung für den Draht anfertigen lassen. Der
schattirte Theil ist ein Stück Messingblech, das bei geöffneter Gabel, nach Einlegen des Drahts auf die
Rolle, zwischen diese und den Griff geschoben wird und auf letzterem festsitzt, so dass es von den Rändern
der Rolle weniger als 0.7 mm entfernt ist, der dünnste als Drachenleine auf der Expedition verwendete Draht
also sich nicht durchzwängen kann. Ein Abspringen des Drahtes an anderer Stelle kann bei solcher Hand
rolle leicht vermieden werden. Ein ernsterer Uebelstand ist der allzu geringe Durchmesser der Rolle, der
nur 100- bis 150mal grösser ist, als derjenige der verwendeten Drähte (0.7 bis 1.0 mm). Hieraus erklärt
sich die eben angeführte Warnung von Prof. Marvin vor starkem Zuge an der Rolle beim Herabzwingen
des Drachens, obwohl ein solcher für das letzte Stück Draht dennoch unvermeidlich ist. Um als Leitrolle
(s. oben) verwendet zu werden, müsste wohl diese Rolle auf 15 cm Durchmesser vergrössert werden, damit
eine Schwächung des Drahtes durch die starke Krümmung ausgeschlossen sei. Soll dabei das Herausspringen
des Drahtes unter allen Umständen unmöglich gemacht werden, so muss eine Vorrichtung angebracht werden,
wie sie durch die dicken Drähte in Fig. 76 angestrebt, aber nicht genügend erreicht ist, und wie sie beim
Azimut-Rad des alten Haspels befriedigend funktionirt; allein diese Vorrichtung erfordert, besonders da es
sich bei der Handrolle um Richtungsänderungen des Drahtes zwischen 0° und 180° handelt, eine so kräftige
Konstruktion, dass die Rolle nothwendig schwer wird; man wird sich also begnügen müssen, an der wichtig
sten Stelle, am Griff, das Ausspringen des Drahtes beim Lockerwerden durch die oben angegebene Ein
richtung (Fig. 77) zu verhindern, im übrigen aber ihm durch vorsichtige Handhabung vorzubeugen. Die
Verwendung einer anderen Rolle zum Landen, als zum Leiten, würde nach den hiesigen Erfahrungen unter
Umständen bedenklichen Zeitverlust bedeuten.