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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 190! No. 1 —
beschränkten. Die Tlieilnehiner am ersten internationalen meteorologischen Kongress i, J. 1873 in Wien
waren von dieser Empfindung erfüllt, als der Kongress beschloss, es sei „die Anstellung von Versuchen über
die Möglichkeit, mit Ballons captifs ständige meteorologische Beobachtungen zu machen“ anzustreben, neben
der Errichtung von ständigen, womöglich zugleich mit ßegistrirapparaten versehenen Beobachtungsstationeu
auf höheren Berggipfeln. Als 1879 der zweite Kongress in Rom zusammentrat, war die auf Gründung
meteorologischer Observatorien auf Berggipfeln gerichtete Bewegung schon in vollem Gange. Einzelne hoch
gelegene Stationen gab es schon seit lange; allein sie waren in Pässen oder an Abhängen gelegen und ihre
Beobachtungen zeigten deutlich lokale Einflüsse; ausserdem wurden sie von Personen bedient, die wenig
Begriff von der Bedeutung ihrer Aufgabe hatten und mit andern Pflichten belastet waren. In beiden Hin
sichten trat in den 70 er Jahren ein allmählicher Umschwung ein. Den wenigen Stationen 2. Ordnung auf
Berggipfeln im Alpengebiete —- Rigi (1784m), Chaumont (1152m), Gäbris (1250 m) in der Schweiz, Obir
(2048 m) und Schafberg (1776 m) in Oesterreich — traten 1872 bezw. 74 in Amerika die Stationen des Signal
Service auf dem Mt. Washington (1916 in) und dem Pikes Peak (4300 m) und seit 1876 in Frankreich das Ob
servatorium auf dem Puy de Dome (1463 m) an die Seite. Bald nach dem Römischen Kongress, 1881, wurde
in Frankreich das Observatorium auf dem Gipfel des Pic du Midi (2859 m) eröffnet und dann folgten Schott
land, Oesterreich und die Schweiz mit der Erbauung der Observatorien auf dem Ben Nevis (1343 in) im
Jahre 1883, auf dem Sonnblick (3096 m) im Jahre 1886 und auf dem Säntis (2500 m) im Jahre 1887. Be
sonders die Hochwarte auf dem Sonnblick hat infolge der vorzüglichen Bearbeitung ihrer Beobachtungen
durch Hann u. A. unser Wissen von der Atmosphäre sehr gefördert. Eine Reihe weiterer Gipfelstationen
mit mehr oder weniger reicher Ausrüstung sind seitdem in verschiedenen Ländern hinzugetreten und haben
neue, theilweise überraschende Aufschlüsse geliefert. Solcher Hochwarten in reinen Gipfellagen besitzt jetzt
Deutschland eine in fast der Höhe des Sonnblicks — das neue Observatorium auf der Zugspitze, 2964 m
über Meer — und vier zwischen 1142 und 1603 m, nämlich Schneekoppe (1603 in) und Brocken (1142 m)
in Preussen, Grosser Belchen (1394 m) im Eisass und Ficlitelberg (1215 m) in Sachsen, neben einigen Hoch-
stationen desselben Niveaus etwas unterhalb des Gipfels, wie Wendelstein (1727 m), Prinz Heinrichsbaude
(1410 m) und Glatzer Sclmeeberg (1217 m), sowie mehreren Stationen auf niedrigeren Gipfeln oder Hoch
ebenen in einer ungefähren Höhenlage von 1000 m, wie Inselsberg (914 m) und Schmücke (911m) in Thü
ringen, Holien-Peissenberg (994 m) in Bayern und Höchenschwand (1005 m), Todtnauberg (1022 m) und Kniebis
(904 m) in Baden.
Wie richtig es war, die Forderung der reinen Gipfellage aufzustellen, trotz der vielfach dadurch
bedingten weit grösseren Kosten und Unbequemlichkeiten, beweist unter vielen anderen die 1876—1881
funktionirende „Station Plantade“ am Abhang des Pic du Midi. Obwohl auch sie 2366 m hoch lag, stimmte
sie in der täglichen Periode der Windstärke mehr mit den Stationen des Tieflandes, als mit der Gipfel
station überein.
Der Römische meteorologische Kongress empfahl deshalb durch einen besonderen Beschluss „die Er
richtung von Observatorien auf den Gipfeln der Berge“, wenn er auch durch diese Fassung, aus Furcht vor
den übergrossen Schwierigkeiten, die kühnere und präzisere Forderung seines Referenten Hann abstumpfte,
der „einige vollständig ausgerüstete Observatorien auf dominirenden Berggipfeln“ verlangte. Diese Schwierig
keiten aber wurden von den Herren Plantamour, Denza, Scott und Wild in der betr. Kommission
speziell als in Feuchtigkeit, Schnee, Wind und der vollständigen Isolirung der Beobachter, sowie auch der
Neugierde der Touristen in der guten Jahreszeit liegend, bezeichnet.
Mit bewimdernswerther Ausdauer und unter Aufwand von sehr viel Mühe und Kosten hat man jetzt
diese Schwierigkeiten an einer ganzen Reihe von Punkten überwunden. Die Kosten der Gipfel-Stationen
sind ausserordentlich verschieden; es ist aber gewiss niedrig gerechnet, wenn wir für die Gewinnung von
Registrirungen und Beobachtungen von Gipfeln oberhalb 1200 m Seehöhe — alle eigentlich wissenschaftliche
Arbeit dabei ungerechnet — durchschnittlich 20000 M. au einmaligen und 5000 M. an jährlichen Kosten
veranschlagen. Man begreift, dass es den Meteorologen nicht leicht geworden ist, solche Summen für einen
Zweck, der nicht Jedem klar ist, flüssig zu machen, und sieht daraus, welchen Werth sie auf solche Auf
zeichnungen legen.
Allein Berggipfel sind nicht überall zu haben, und die Verhältnisse über den Tiefebenen bleiben für diese
Methode unzugänglich. Und so frei auch der Gipfel gelegen sein mag, immer ist eine Einwirkung der Berg
masse auf die Aufzeichnungen vorhanden in einem bis auf weiteres nicht genau bestimmbaren Umfange.