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Ans dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 —
sich einstellende jalousieförmige Anordnung der Trageflächen in völlig starrer Weise von vorn herein her
stellt, und zwar in solchem Maasse, dass diese Flächen einander überhaupt kaum mehr beeinflussen, sondern
alle dem Winde voll exponirt sind. Gegen seitliche Bewegungen besitzt dieser Drache durchgehende vertikale
Flächen und zugleich eventuell ein Mittel-Steuer. Endlich lässt sich die Tragefläche dieses Drachens durch
Einsetzen oder Herausnehmen von Zwischensegeln in kürzester Zeit nach den Umständen vergrössern oder
verkleinern.
Die genaue Beschreibung dieses erst Anfang Juni 1901 von mir erfundenen*) Drachens findet man am
Ende dieses Abschnitts bei Besprechung der Drachen der Seewarte, seine Abbildung auf Taf. 2, Fig. VI u. VII.
Die Drachen der Seewarte.
Abgesehen von einigen versuchsweise gebauten anderen Drachen-Formen, die sich nicht lebensfähig
erwiesen, gehören die Drachen der Seewarte drei guten Typen an; es sind theils „Malay-“ bezw. Eddy-
Drachen, theils Hargrave’sche Kasten - Drachen von der rechtwinkeligen zweizeiligen Form, theils endlich
Drachen des erst im Juni 1901 erfundenen Treppen-Typus, welche die Vortheile dieser beiden Systeme ver
einigen und ihre Nachtheile in gemilderter Form zeigen. Diese Vortheile sind beim Malay-Drachen sein
Steigen bei leichtem Wind, beim Hargrave seine Stabilität, bei beiden der grosse Steigwinkel; die Nachtheile
sind beim Malay der Mangel an Stabilität, beim Hargrave sein Versagen bei schwachem Wind, seine Kom-
plizirtheit, Zerbrechlichkeit und grosses Volum.
a) Die Malay-Drachen sind in Grössen von Vi bis 3 Quadratmetern erbaut und benutzt worden
und zwar, mit Ausnahme derjenigen unter 1 qm, die nicht zusammenlegbar sind, stets nach folgendem, be
reits 1898 von mir gewählten
„Modell Seewarte 1898“
An der Längsstange, deren Kopfende dicker als das Schwanzende ist, findet sich in einer Entfernung
von 18 bis 20°/o der Gesamtlänge ein dreieckiges Querbrett, in dessen stumpfe — 152° fassende -- Vorder
ecke die Längsstange eingelassen ist. Für diese Längsstange habe ich bei allen Malay-Drachen von 2 und
mehr Quadratmetern Grösse eine Kombination von Bambus und einer mit Draht darauf festgebundenen
Leiste von Fichtenholz genommen; letztere dient sowohl zur Verstärkung, als insbesondere zum Draufnageln
des Zeuges. Diese Kombination ist sehr leicht und fest; es ist mir, trotz beständigen Gebrauchs, noch kein
solcher Längsstab gebrochen, wohl aber in mehreren Fällen einer der leicht zu erneuernden Querarme.
Die Verbindung des Längsstockes und der Arme mit dem Querbrett wird durch ein Blech hergestellt, dessen
Anfertigung aus Fig. 32 A bis C ersichtlich ist. In ein rechteckiges Blechstück werden die Einschnitte eeee
gemacht und darauf in den Knicken a und h die vier Flügel rechtwinklig zurückgebogen. Auf die Mitte
des Blechs wird zur Verstärkung des Kreuzungspunktes ein zweites (durch die punktirte Linie angedeutetes)
Blech gelöthet. Das senkrechte Mittelstück wird auf den Längsstock aufgenagelt, das Querbrett, das in
seiner stumpfen Ecke einen passenden Ausschnitt haben muss, hinter den Längsstock gesetzt, und darauf
werden die zurückgebogenen Flügel des Bleches in solcher Lage auf das Querbrett genagelt, das zwischen
diesem und dem Blech gerade Kaum zum Einschieben der beiden Arme bleibt, deren Länge gleich der halben
Länge des Längsstockes ist. In die freien Enden dieser Arme sind Schrauben eingesetzt, auf deren Köpfe
die Ecken des Zeuges mittels je eines Drahtringes geknöpft werden, in den die Lieke befestigt sind; von
den letzteren werden die beiden oberen resp. vorderen durch verzinnten Eisendraht, die beiden hinteren
durch Hanfschnur gebildet. Die anderen Enden der Lieke sind an zwei Schraub-Oesen befestigt, die in die
beiden Enden der Mittelstange eingeschraubt sind, und zwar je in einen Holzpfropf, der in das Ende des
Bambusrohres eingesetzt ist. Die vorderen eisernen Lieke sind durch Augen mit dieser Oese fest verbunden,
die hinteren Schnur-Lieke werden, zusammen gebunden, nur hinter die Oese geknöpft. Um alles unnütze
Gewicht zu vermeiden, sind die Stangen nach den Enden zu verjüngt, mit Ausnahme des vorderen, mit
dem der Drache gewöhnlich zuerst den Boden berührt. Diese Verjüngung ist beim Längsstock durch den
Wuchs des Bambus gegeben, bei den Armen durch Zuschärfen der Holzstöcke auf deren unteren bezw.
Windseite erreicht. In seiner Mittellinie ist das Zeug an den Längsstock genagelt, mit Unterlegung einer
*) Die treppen- oder jalousieförmige Anordnung der Flächen ist für Flugmaschinen längst vorgeschlagen worden; nur
für Drachen ist sie, meines Wissens, neu.