W. Koppen: Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen.
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aus drei Schnüren besteht, die (vgl. Fig. 22) aus d nach a, b und c führen und gewöhnlich gleich lang und
zwar = ac resp. bc genommen werden (zuweilen cd etwas kürzer). Der Drache lässt sich, wenn Zeug statt
Papier angewandt wird, leicht so einrichten, dass er durch Abknöpfen des Zeuges auf den Ecken, Zu
sammenrollen desselben und Drehung der Stöcke um c zu einem bequemen Packen verschnürt werden kann.
Es empfiehlt sich, um das Aufschlagen des Drachens abzukürzen, das Zeug an den kürzeren horizontalen Stab
anzunageln, und um die Steighöhe des Drachens zu verbessern, den Iland ab des Zeuges mit einem Brettchen
zu versehen, dass durch eine einfache Vorrichtung in der Bucht, während des Fluges des Drachens, schräge
zu seiner Ebene gehalten wird. Lässt man die Aeste ad und bd der Bucht (Fig. 22) in Draht-Dreiecke enden,
wie eines bei a auf Fig. 23 dargestellt ist (ac ist die Drachenfläche, c deren Centrum), so lassen sich leicht
die Enden des Brettchens zum Einschieben in die beiden Dreiecke einrichten. Wir haben gesehen (S. 40, c),
wie nothwendig ein steifer vorderer Band für das gute Fliegen des Drachens ist, und wie wirksam eine
Wölbung seines vorderen Theiles die Steighöhe verbessert. Unter dem Druck des Windes nimmt das Zeug
hinter dem Brettchen die Form der punktirten Linie in Fig. 23 B an.
Der englische Hauptmann B. Baden-Powell, und nach seinem Vorgänge auch der St. Petersburger Luft-
schiffer-Park, benutzen sehr grosse Sechsecke von anderer Form zum Heben von Menschen. Das Gerüst
besteht aus einer Längs- und zwei Quer-Stangen von Bambus. Um den Drachen zusammenzufalten, braucht
man nur das untere Ende von der Längsstange loszuknöpfen, deren obere Spitze aus der Zeugkappe, in
der sie steckt, herauszunehmen und darauf das Zeug um die beiden Querstangen, die in dasselbe eingenäht
sind, aufzurollen. Zur Hebung eines Mannes bedient sich Herr Baden-Powell, bei günstigem Winde, gewöhn
lich eines Zuges oder Gespannes von hintereinander gespannten vier solchen Drachen, von je ca. 12 qm
Oberfläche. Um diesem Gespann die nöthige Stetigkeit zu geben, fesselt er den untersten Drachen mit
zwei weit auseinander stehenden Leinen (Seilen), deren Heftpunkte am Erdboden, der Zeichnung nach, gegen
100 m auseinander liegen. Die beiden Buchten sind auf Fig. 24, Klarheit halber, vereinfacht wiedergegeben;
Baden-Powell giebt ihnen noch mehr Zweige, um das Gerüst gegen den Winddruck zu stützen. Für die
Befestigung der oberen Drachen am untersten, giebt er („Aeronaut. Journal“, April 1898, S. 37) mehrere
Methoden an, von denen er (ebenda Januar 1899) dem „Parallel“-System (Fig. 25) den Vorzug zu geben
scheint.
Merkwürdig ist es, dass diese grossen Sechsecke keinen Schwanz brauchen, während kleinere Drachen
dieser Form ohne einen solchen ganz unstabil sind. Baden-Powell giebt an, diese Thatsache auf die Weise
entdeckt zu haben, dass einer seiner Drachen einmal unter wilden Bewegungen seinen Schwanz abgeworfen
hat, und nun erst hoch emporstieg und sich befriedigend oben erhielt. Herr Griboyedof in St. Petersburg
führt dies mit Bezug auf die ähnlichen Drachen des dortigen Luftschifferparks (in einem Briefe an mich)
auf die starke Einbuchtung des Zeuges durch den Wind zurück, durch welche zur Drachenebene normale
Flächenkomponenten entstehen, von denen diejenigen, die in die Ebene des Windes fallen, insbesondere der
an der Mittelrippe entstehende Kiel, dem Drachen seitliche Stabilität verleihen. Wahrscheinlich liegen in
dessen diesem Verhalten allgemeinere Ursachen zu Grunde, da auch bei anderen Formen grosse Drachen
stabiler sind, als kleine (vergl. oben S. 38, E). Interessant ist ferner die Mittheilung des Herrn Griboyedof,
dass die grossen Drachen dieser Form bei Winden, deren Stärke eine gewisse Stufe überschreitet, beginnen
immer niedriger und niedriger zu fliegen, obwohl sie dabei sehr stark ziehen, was er dem zuschreibt, dass
bei zunehmender Deformation des Drachens sein Stirn- oder Rumpfwiderstand wächst. Durch schärferes
Anspannen des Zeuges erhielt man nach ihm an diesen Drachen eine Verbesserung des Steigwinkels (steileres
Stehen), aber gleichzeitig einen Verlust an Stabilität. Noch mehr war beides der Fall, wenn das obere
Zeugdreieck bis zur vorderen Horizontalleiste ganz entfernt wurde; dies gelang nur an Drachen, die in Be
zug auf Symmetrie besonders genau ausgefallen waren.
B. Hddy’s jyfalay-Drachen. Diese Drachen unterscheiden sich von den im vorhergehenden be
sprochenen dadurch, dass ihre Fläche zwar ebenfalls eine zusammenhängende, aber absichtlich vorgewölbt
bezw. aus zwei in stumpfem Winkel sich schneidenden Ebenen zusammengesetzt ist.
Herr William A. Eddy zu Bayonne, N.-J., hat sich seit 1890 bemüht, den gewöhnlichen Drachen zu
vervollkommnen, ihn zur Erreichung grosser Höhen und zur Verwendung für ernste Zwecke brauchbar zu
machen. Dabei gelangte er durch eine auf der Weltausstellung in Chicago erhaltene Anregung zur Erfindung
des von ihm „Malay-leite“ genannten Drachens, ln dieser Form scheint er zwar bei keinem malayischen
Volke in Gebrauch zu sein, allein sein Prinzip, das Zurückbiegen der beiden Seiten gegen die Mittelrippe,