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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 —
aus der Hand lässt, wirft sich auf den Kücken, wenn man sie mit der Konkavität nach unten fallen lassen
will, selbst wenn man den Schwerpunkt der Sehne des Bogens nahe gelegt hat. Die Ursache ist nicht
schwer einzusehen, wenn man Fig. 13 mit Fig. 14 vergleicht. Eine Neigung des Drachens nach links lässt
bei zurückgebogenen Flügeln (Fig. 13) den Druck auf d wachsen, auf e abnehmen und wird demnach rasch
wieder aufgehoben; bei vorgeschobenen Flügeln (Fig. 14) ist die Aenderung umgekehrt, die Linksneigung
nimmt daher zu und führt zum Umkippen des Flugmodells und, wenn keine anderen Vorkehrungen dies
verhindern, auch des Drachens.
Der Satz E, nach dem grosse Drachen stabiler sind, als kleine, wird von verschiedenen Drachen
kennern ausgesprochen; in der Tliat gelingt es schwer, Hargrave- und Malay-Drachen, die den gut fliegenden
grösseren möglichst genau nachgebildet waren und deren Gewicht pro Flächeneinheit nicht grösser ist, als
bei diesen, zum guten Fliegen zu bringen, wenn sie weniger als 3 /4 m Länge hatten. Es kann wohl auch
nur daraus erklärt werden, dass die gewaltigen einfachen Sechsecke, die Baden-Powell in England und
Kovanko in Russland für militärische Zwecke anwenden, ohne Schwanz fliegen können, obwohl bei ihnen
Grundsatz D gar nicht, und B nur durch die starke Einbuchtung des Zeuges erfüllt ist, die aber zugleich
z. Th. gegen Grundsatz C verstösst.
Dass die Stabilität getheilter Flächen grösser ist, als diejenige von Vollflächen, beruht wahrscheinlich
auf der Einschränkung der Exkursionen des Druckpunktes bei Neigungsänderungen der Fläche. Fällt der
Wind in die zusammenhängende Fläche Fig. 15 A zuerst aus der Richtung a, dann aus jener ß, so ver
legt sich der Druckpunkt aus a nach i>; ist die Fläche dagegen in zwei zerlegt (Fig. 15 B), so findet in jeder
die Verschiebung nur von a! und a" nach V und V statt, und wenn die beiden starr verbundenen Flächen-
theile weit genug von einander getrennt sind, um sich gegenseitig nicht erheblich zu beeinflussen, so ist
auch die Verschiebung des gemeinsamen Druckpunktes beider, von a nach l, nicht wesentlich grösser.
Ob die Anbringung mehrerer Flächen übereinander (Satz C) neben dieser Wirkung der Flächen-Zer-
theilung noch eine weitere, besondere Wirkung auf die Stabilität des Flugapparats hat, erscheint zweifel
haft. Sie ist aber konstruktiv von Vortheil, weil sie die Drachen kompendiöser zu machen und Prinzip D
mit B gut zu vereinigen gestattet.
In Bezug auf Satz F hat die Erfahrung gezeigt, dass biegsame Rahmen und Füllungen der Gefahr
einer ungleichmässigen Durchbiegung unter zunehmendem Wind unterliegen, in deren Folge Drachen, die
in schwachem Wind bezw. der untersten Luftschicht ruhig standen, in starkem bezw. höher oben entweder
zur Seite fliegen oder sogar kopfüber schiessen. Eine möglichst starre, steife Konstruktion des Rahmens,
mit gleichmässiger Spannung des Zeuges, ist daher wiinschenswerth. Die Zusammenlegbax-keit der Drachen
ist deshalb nicht weiter zu treiben, als es die Verhältnisse für den Transport und die Aufbewahrung der
Drachen erheischen.
Von obigen Grundsätzen ist bei den gewöhnlichen Spieldrachen nur B bezw. C bisweilen vertreten und
zwar bei den asiatischen z. Th. mit gutem Erfolg durch absichtliche Zurückbiegung der Drachenfläche nach
den Rändern, bei den europäischen nur in geringem Maasse und ohne Absicht der Erbauer durch die
Biegung der Stangen im Winde, gewöhnlich auf Kosten der Hubkraft.
Auch beim Eddy’schen Malay-Drachen und den daraus abgeleiteten Formen sind nur B und C vertreten,
aber dieses in einer bewussten und annähernd konstanten Form, die für schwache und massige Winde
völlig genügt.
Die Hargrave-Drachen zeichnen sich in ihren zahllosen Varianten von Hargrave selbst, Clayton, Millet,
Lamson, Potter, Marvin, Kuznetsof, Ulyanin u. s. w. durchweg durch eine gleichmässige Durchführung der
drei Prinzipien B, Di und D 2 aus. Ob nicht der Rest von Instabilität auch hier, wie beim Malay-Drachen,
wo es zulässig erscheint, mit Vortlieil durch A — die Beigabe eines Schwanzes — bekämpft werden könnte,
wäre immerhin einer Versuchsreihe werth.
Im Aerodrom von Langley ist B nebst C sowie Di, aber nicht D 2 ausgebildet. Ebenso im Kress’schen
Drachenflieger und dem ihm nachgebildeten Drachen von Nikel, wo, den Photographien nach, durch die
Zurückbiegung der elastischen Flügel nicht nur das im Steuer vertretene B verstärkt, sondern auch D 3 er
zeugt wird.
Dagegen haben LilienthaTs und Chanute’s letzte Apparate zum persönlichen Gleitfluge das Prinzip D 2
viel ausgesprochener berücksichtigt, als B und Di, welche beide wesentlich nur durch das grosse Steuer
mit Horizontal- und Vertikalfläche zur Wirkung kamen; bei Lilienthal wirkte eine schwache Keilstellung