Aus dem Archiv cler Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 —•
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sind z. B. diejenigen vom 16. Januar und 7. März 1901 veröffentlicht (in russ. Spr.). Mit deu unten zu er
wähnenden erfolgreichen Bemühungen der russischen Militär-Luftschifferabtheilung steht das Ceutral-Obser-
vatorium in enger Fühlung. Diese hat, wie General Ivanof auf dem Kongress der russischen Meteorologen
mittheilte, gegenwärtig eine meteorologische Draclienstation im Luftschiffer-Uebungspark in Petersburg ein
gerichtet und eine zweite solche in Kovno in Angriff genommen.
Auf den Britischen Inseln hat der werthvolle Anfang, den Herr Archibald gelegt hat, bis jetzt keine
Fortsetzung gefunden. Eine Reihe von Versuchen mit Drachen, aber noch ohne Instrument, wurden im Sommer
1898 in Edinburgh veranstaltet, wie man dies aus einer Mittheilung von Herrn Mossmann im Quart. Journ.
R. Met. Soc. Oktober 1898 ersieht. Diese Versuche waren „der Energie uncl Liberalität des Herrn John An
derson zu verdanken“, eines früheren Kentuckyers. Es scheint, dass die Sache in Schottland später fallen
gelassen worden ist, dagegen neuerdings in England Aussicht auf Fortführung hat.
In Belgien ist die Angelegenheit von der meteorologischen Zentralstelle in Uccle selbst in die Hand
genommen worden, wie man aus einem Bericht von J. Vincent ersieht, der im „Annuaire de FObservatoire
de Belg, pour 1900“ erschienen ist. Im Laufe des Jahres 1899 ist unter Leitung des Genannten eine
Reihe von Drachen gebaut und versucht worden, vorläufig noch ohne Instrument, weil die Mittel zu dessen
Anschaffung nicht ausreichten. Der Bericht enthält zugleich eine bequeme Chronologie der Entwicklung der
Drachensache und eine (Jebersicht der Litteratur derselben.
In Oesterreich sind seit 1898 Vorbereitungen im Gange, mit einem Drachen neuen Systems Instrumente
in grosse Höhen zu tragen. Herr Ingenieur Hugo L. Nikel hat nach dem Prinzip des „Drachenfliegers“ von
Herrn Kress, aber mit weit mehr Flügeln, einen Drachen, entwarfen und erbaut, dessen erstes Exemplar
von 12.2 qm Fläche, wie in verschiedenen Blätter berichtet worden ist, am 19. August 1898 mit sehr gutem
Erfolg an einer Leine von 320 m bei leichtem Winde geflogen ist. Daraufhin ist von der Wiener meteo
rologischen Zentralanstalt ein solcher von 22 qm Fläche bestellt worden. Ob derselbe sich für grosse Höhen
und in starkem Winde bewähren wird, erscheint wegen seiner grossen Biegsamkeit zweifelhaft.
In Deutschland ist, so viel mir bekannt, nach den auf die Luftelektrizität gerichteten älteren Unter
suchungen von Prof. Leonh. Weber*) die Verwendung von Drachen für -wissenschaftliche Zwecke erst im
Jahre 1898 ungefähr gleichzeitig von der Seewarte und von den Luftschifffahrts-Vereinen in Strassburg und
Chemnitz in die Hand genommen worden. Beim Eintritt des Winters waren alle drei Stellen ungefähr zu
demselben Stadium der vorbereitenden Schritte gelangt, nämlich zum Steigenlassen von Malay- und den
ersten Hargrave-Draclien, einzeln und in Gespannen, mittels Stahldrahts und Winde in Höhen von einigen
hundert Metern, aber noch ohne meteorologische Instrumente. In Chemnitz und Strassburg scheint die
Sache indessen nicht weiter verfolgt worden zu sein; der Fortgang der Versuche der Seewarte soll am Schluss
dieses Abschnittes kurz geschildert werden.
Etwas später, als an den genannten Orten, aber von vorn herein mit sehr grossen Mitteln und nach
einem grossen Plane wurde die Drachensache in Berlin aufgenommen. Im Frühling 1899 wurde liier als
Fortsetzung der eingangs erwähnten grundlegenden Berliner wissenschaftlichen Ballonfahrten eine aeronau
tische Abtheilung am Preussischen Meteorologischen Institut gegründet, in welche die beiden Hauptträger
jenes Unternehmens, Prof. Assmann als Vorstand und Herr Berson als erster Assistent übertraten; das
weitere Personal der Abtheilung besteht ausser einem zweiten wissenschaftlichen Assistenten und einem Schrift
führer, aus einem Ballonmeister, zwei Ballongehülfen und mehreren weiteren ständigen oder temporären
Hülfskräften. Die beiden erstgenannten Herren wurden zur Erlernung der meteorologischen Drachentechnik
im Sommer 1899 nach Trappes gesandt und hierauf nach deren Plänen der Bau und die Ausrüstung eines
aeronautischen Observatoriums in der Nähe von Berlin in Angriff genommen. Aeussere Rücksichten be
dingten hierbei die Wahl eines leider ziemlich ungünstigen Platzes an der Nordwestseite der Stadt, neben
dem Gelände der Militär-Luftschiffer, in der Jungfernhaide, S von Tegel und W von Reinickendorf. Hier
ist neben einem Dienstgebäude mit Bureauräumen und einigen Wohnungen eine Ballonhalle von 16X10X8 m
Ausmaass und ein 25 m hoher Thurm zur Aufnahme der Winde und zum Emporlassen der Drachen**) er-
*) Elektrotechn. Zeitschrift 1SS0, 1SS9 und 1892.
**} Vergl. R. Assmann im Juli- und Augustheft 1900 der Zeitschrift „Das Wetter“, wo man auch eine anschauliche
Schilderung der Schwierigkeiten des Drachenbetriebes und des merkwürdigen Aufstieges vom 26. Juli 1900 findet, in welchem
mit Hülfe von 5 Hargrave-Drachen und 7120 m Draht von O.S bis 1.0 mm Durchmesser eine Höhe von 4255 m erreicht wurde,
aber durch Nachgehen einer Splissung die Drachen mit 6250 m Draht eine Reise nach Südosten antraten, die sich für die
beiden obersten durch wiederholtes Sich-Verankern und wieder Losreissen bis auf 140 km ausdehnte. Sie wurden hinter