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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 —
Abnahme der Feuchtigkeit beim Auf- und Abstieg, die meistens schichtweise erfolgt, bietet doch so viel
Interesse, dass man wohl ein Mittelding zwischen der grossen Skala von Richard und der kleinen von
Marvin wünschen möchte.
Zu den auf Tafel 6 wiedergegebenen Proben ist folgendes zu bemerken. Für die ersten drei sind
saubere, bei schwachem Winde gewonnene Kurven, je eine aus jedem der Jahre, ausgewählt, da die bei
starkem Winde gewonnenen weniger leicht genau wiederzugebgji sind.
9. November 1899. Richard’s Baro-Hygro-Thermograph, 180 m unterhalb des Marvin-Drachens am
Draht angeklemmt. Schwacher Westwind, Wetter anfangs trocken, z. Th. mit blauem Himmel, gegen Schluss
kräftiger Regen. Bewegungen des Drachens sehr ruhig, die Pausen im Auf lassen und im Einholen als
Stufen im Barogramm zu sehen. Grösste Höhe annähernd 14(50—-380 = 1080m, korrigirt 1112 m, also
Brockenhöhe, im Aufstieg in 43 Minuten gewonnen, im Abstieg in 67 Minuten zurückgelegt, Zug 25—28 kg,
Luft unten und oben feucht, in 600 m Höhe trockener; Temperatur-Abnahme 0.45°C auf 100 m.
22. September 1900. Marvin’s Meteorograph in Marvin’s Drachen. Massiger Westwind, Nimbusdecke,
darunter Fr.-nb. Um l h 8"" und 2 h 40 m »°, sonst trocken mit 72—79% relativer Feuchtigkeit. Um l h 33 m
wurde, als der Abgangswinkel des Drahts unter 29° gesunken war und der Zug auf 29 kg blieb, ein kleinerer
(3 l /s qm) Hargrave-Drachen an den Draht hinzugespannt, mit dessen Hilfe die Wolkengrenze erreicht, aber
zunächst nicht überschritten werden konnte, bis etwa 35 Minuten später der Hauptdrache einen starken
Impuls aufwärts bekam und nun auch noch weiter stieg, als man mit dem Auslassen aufgehört hatte. Auf
diese Weise erreichte das Instrument die Höhe von 1680 m über dem Boden. Beim Herabholen war das
Instrument, als die Befestigungsstelle des Hülfsdrachens erreicht wurde, mehr als 150 m höher, als zur Zeit
der Befestigung desselben. Beim Landen ist durch den Stoss die Trommel um den Werth von 3 Zeitminuten
zurückgedreht. Die untere Wolkengrenze lag beim Aufstieg etwa bei 1080 m, beim Abstieg bei 960 m. Die
Temperaturkurve ist nur unterhalb der Wolkengrenze parallel mit derjenigen des Luftdrucks, die weitere
Hebung des Instruments von 2 h 10" bis 3 ll 10' n ist im Thermogramm kaum zu bemerken; die Temperatur
nahm also in den Wolken garnicht mit der Höhe ab, ja sogar es scheint, dass von 2 h 17 m bis 2 h 50 m , wo
das Instrument oberhalb 1500 m verweilte, die Temperatur um ca. ' J U°V höher war, als bei 1500 m. Da
aber der Thermograph nach Erreichung des Bodens um ca. 3°F zu wenig zeigte, vielleicht wegen Benetzung,
so ist leider das Thermogramm nach Erreichung der Wolkengrenze unsicher. Der Hygrograph hat inner
halb der Wolken die ganze Zeit eine Feuchtigkeit von 88% angegeben, welchen Stand er auch nach dem
Landen beibehielt, obwohl am Boden die Feuchtigkeit nur 79% betrug; im Moment des Aufstiegs zeigten
Hygrograph und Psychrometer übereinstimmend 73%.
Am oberen Rande des Meteorogramms findet man die Aufzeichnungen des Anemographs. Die Um
drehungen des Schalenkreuzes liefern so viel elektrische Kontakte in der Stunde, wie die mittlere Wind
geschwindigkeit Meter in der Sekunde betrug. Jeder fünfte Kontakt ist verlängert. Die Windgeschwindig
keit war hiernach beim Aufstieg bis zur Wolkeugrenze im Durchschnitt 9 m pro Sek., an dieser, in 900 bis
1200m Höhe, 12 bis 13m pro Sek.; höher, oberhalb 1600m, 16 m pro Sek.; beim Abstieg, in 900 bis Om
Höhe, 12 in pro Sek.
18. April 1901. Beispiel für intensivere Untersuchung der unteren Luftschicht. Nach vergeblichen
Bemühungen, wegen zu schwachen Windes, von 2 h bis 3 h p. m., wurde endlich um 3 h der Marvin-Drache
durch einen vorgespannten schwanzlosen 2% qm Malay-Drachen emporgehoben. Nachdem er mit 400 m
Draht gut geflogen war, wurde er herabgeholt und das Instrument eingesetzt. Der Abgangswinkel des
Drahtes sank beim Wiederauflassen wegen des schwachen Winddruckes schnell von 50° auf 14’/ 2 °, so dass
entweder ein Hülfsdrache angefügt oder eingeholt werden musste. Es wurde das letztere gewählt, um lieber
einen zweiten Aufstieg folgen zu lassen. Zwölf Minuten nach der Landung wurde der Drache aufs neue
emporgesandt. Trotz des geringen Zeit-Intervalls macht sich bereits der Einfluss der vorgerückteren Abend
stunde bemerkbar in der geringeren Temperatur-Abnahme beim zweiten Aufstieg. Die Höhe desselben be
trug "Vu von derjenigen des ersten, die ganze Temperaturdifferenz aber war nur 7°F gegen 9° beim ersten.
Auffallenderweise war dabei die relative Feuchtigkeit beim zweiten Aufstieg geringer als beim ersten. Das
Anemometer war leider ausser Funktion, weil das Schalenkreuz fehlte. Auch dieses Mal ist die Registrir-
Trommel durch Stösse beim ersten Aufstieg und letzten Landen etwas um ihre Achse gedreht, was besonders
an der äusserst feinen Kurve des Hygrographs zu erkennen ist. Diese Verschiebung ist übrigens bei anderen
Aufstiegen nicht oft vorgekommen.