W. Koppen: Erforschung der freien Atmosphäre mit Hülfe von Drachen.
99
die Trommel bei geklemmtem G zu drehen, da es bei dem grossen Durchmesser der Trommel und der
Schwäche dieses Rades nur eines geringen Druckes bedarf, um ihm Zähne auszubrechen. Bei Richard’s
Instrument sind diese Theile viel einfacher und kräftiger konstruirt.
Mit der Frage des möglichen Einflusses von Strahlung auf die Angaben des Drachen-Meteorographs
hat man sich namentlich in Amerika abgegeben. Ueber einige Versuche auf dem Blue Hill in der Richtung
der Herstellung eines Strahlungs-Schutzes berichtet Fergusson in seiner bekannten Abhandlung vom J. 1897;
Der verstorbene Prof. Hazen behauptete sogar, die mit Drachen gewonnenen Temperatur-Angaben seien
wegen Beeinflussung durch Strahlung nicht zu brauchen. Allein offenbar ist der Strahlungs-Einfluss bei
Drachen-Meteorographen, wenn nur die Bourdon-Röhre nicht direkt von Sonnenstrahlen getroffen wird, ganz
geringfügig. Im Marvin-Instrument geht schon bei ganz schwachem Winde der Thermograph, wenn es mit Ge
häuse auf dem Dache der Seewarte abwechselnd auf je 10 Minuten in die Sonne und in Schatten gebracht
wird, nur um ca. 0.3°C hin und her; nur wenn die Sonnenstrahlen in das Hüllrohr des Thermometer, auf
dieses selbst, fielen, stieg es schneller. Die Feuchtigkeit spielte gleichzeitig um ca. 3 u /o hin und her; sie
stieg, wenn die Temperatur sank, und umgekehrt. Freilich ist der Hamburger Sonnenschein matt; aber
wenn man bedenkt, dass die natürliche Ventilation im Drachen stets zum mindesten 4 bis 6 m pro Sek.
beträgt, so wird man auch von kräftigerer Insolation keine merkbaren Fehler erwarten, ausser wenn un
günstiger Weise der Wind gerade aus der Richtung kommt, wo die Sonne eben steht, und diese nicht mehr
als etwa 40° über dem Horizont ist, so dass ihre Strahlen, wenigstens thoilweise, direkt auf das Gefäss
des Thermographs und das Haar des Hygrographs gelangen können. Um diese Möglichkeit zu vermeiden,
würde es gut sein, bei Einschliessung dieser Theile, nach Marviivs sehr zweckmässigem Vorgang, in ein vom
Winde durchstrichenes Rohr, diesem Rohre eine Krümmung zu geben, etwa indem man auf die vordere
Oeffnung der Hülse ein unter 20° gegen das innere geneigtes äusseres Rohr aufsetzt, das im Fluge annähernd
horizontal liegt, wenn das innere Rohr der Drachenfläche parallel gebunden ist; dessen Inneres kann auf
diese Weise auch bei ungünstigem Sonnenstände beschattet werden, ohne die Luftbewegung zu beein
trächtigen. Vielleicht noch wichtiger kann diese Einrichtung durch Verhütung der Benetzung des Thermo-
graphen-Gefässes und des Hygrographen-Haares durch Regentropfen werden, da dieses, wie wir im folgen
den sehen werden, eine viel grössere Gefahr für die Richtigkeit der Aufzeichnungen ist, als die Strahlung.
Rathsam wird indessen dabei sein, dieses äussere Rohr doppelt zu machen und den Zwischenraum durch
einige Löcher nach dem Inneren des Gehäuses zu öffnen, um nach Art des Assmann’schen Aspirations-
Thermometers auch der Aussenseite des ganzen Hüllrohres die Temperatur der Luft zu geben. Ent
sprechende Oeffnungen auf der Rückseite der Hülse hätten für Abfuhr der Luft zu sorgen.
Der strenge Parallelismus, der sich bei gleichförmiger vertikaler Temperaturabnahme zwischen den
Aenderungen des Luftdrucks und der Temperatur im Meteorogramm zeigt, beweist, dass die Trägheit des
Instruments, so lange es trocken ist, eine geringe Rolle in dessen Thermogramm spielt. Besonders be
weisend dafür sind die zahlreichen Fälle, in denen der Drache, während einer Pause im Auslassen oder Ein
hieven des Drahtes, eine Anzahl von Minuten die gleiche Höhe behielt und das Thermogramm genau gleich
zeitig damit eine horizontale Stufe zeigt (vgl. Fig. XIV), der Thermograph also aus schneller Aenderung fast
plötzlich in stationären Zustand überging. Würde er während der schnellen Aenderung der Höhe und der
Temperatur im Rückstände geblieben sein, so hätte er diesen unfehlbar in der darauffolgenden Pause nach
holen müssen. Eine dementsprechende Abstumpfung der Ecken und Neigung zur Fortsetzung der bis
herigen Bewegung über die Dauer der sie bewirkenden Ursache hinaus ist denn auch manchmal im Thermo
gramm erkennbar, aber sie ist sehr gering und genügt nicht zur Erklärung des häufig zu niedrigen Standes
des Instruments nach dem Aufstieg. Allem Anschein nach ist vielmehr dieser Uebelstand der Benetzung
des Thermographen-Gefässes durch Beschlag oder Regen zuzuschreiben. In der That war in der Mehrzahl
der Fälle, wo sich die Erscheinung in Plamburg intensiv gezeigt hat, das Instrument entweder längere oder
kürzere Zeit in den Wolken gewesen — so am 25./8., 12./9., 22./9., 30./10., 6./12. und 7./12. 1900 und
6./3. 1901 — oder doch dicht unter den Wolken, so dass der 40 —(50 m höhere Vorspann-Drache verdeckt
wurde — so am 21./9. 1900, 2./8. und 4./9. 1901 — oder es hatte ein schneller Abstieg mit sehr rascher
Temperatur-Zunahme bei grosser relativer Feuchtigkeit, also vielleicht Beschlag-Bildung, stattgefunden — so
am 27-/8. und 1./9. 1900, 11./4. und 4./9 1901. Dass aus diesem Grunde Thermometer starken Erwärmungen
langsamer folgen, als starken Erkaltungen, hat Assmann 1892 in seinem Werke über das Aspirations-Ther
mometer, S. 197, gezeigt. In einem Falle dagegen, am 24. Oktober 1900, trifft auch diese Erklärung nicht