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Full text: 24, 1901

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1901 No. 1 — 
und zum Tlieil aucli technischen Hülfsmittel zu machen, indem man seine Steigkraft und seine Stabilität 
ausserordentlich vergrössert hat. Gewiss wird sich in derselben Richtung noch bedeutend mehr, oder das 
selbe mit einfacheren Mitteln erreichen lassen. Der Fortschritt ist aber nur langsam, weil er grösstentheils 
auf dem Wege der tastenden, nur hier und da durch Analogieschlüsse gestützten Versuche gewonnen werden 
muss; denn nicht allein die Theorie, sondern auch das nicht im Winde gewonnene Experiment bieten noch 
sehr wenig Handhaben dafür, zu beurtheilen, welche Anordnung im Winde einen bestimmten Vortheil ver 
spricht. Von den Versuchen in freiem Winde gilt aber, was Baden-Powell nach vieljährigen Bemühungen 
um die Vervollkommnung der Drachen sagt: „Es erscheint wirklich merkwürdig, wie langsam ^tatsächlicher 
Fortschritt sich ergab: so oft musste eine erfasste Idee wieder und wieder unter wechselnden Bedingungen 
erprobt werden, ehe irgend ein bestimmtes Ergebniss erreicht werden konnte; und in der Hälfte der Fälle 
kam ich zu dem Schluss, dass diese ganze Reihe von Versuchen durchaus negatives Ergebniss habe. Allein 
immer wieder hatte ich auch so erfolgreiche Arbeitstage, dass ich ermutliigt wurde, fortzufahren.“ 
Die erfreuliche Entwickelung, welche die Verwendung der Drachen in den letzten Jahren genommen 
hat, wollen wir nun in Kürze überblicken. 
Weltbekannt ist, dass Franklin 1752 Drachen zum Nachweis der elektrischen Natur des Blitzes benutzt 
hat. Aber schon drei Jahre früher hat Dr. Al. Wilson in Glasgow den Versuch gemacht, Thermometer mit 
Hülfe mehrerer zusammengekoppelter Drachen in die Höhe zu schicken (vergl. Kunitz’ Lehrb. II, S. 395 und 
Monthly Weather Review (Washington) für 189(5, S. 113). Die Sache hat indessen danach fast vollständig 
geruht,*) bis 1883 Douglas Archibald in England sie wieder aufnahm. Seine Versuche mit Anemometern, 
die er bis zur Höhe von 200 m über dem Boden hinaufschickte, schienen mir so vielversprechend, dass ich 
seinen Bericht darüber für die damals von mir redigirte „Meteorol. Zeitschrift“ übersetzte (Bd. 1885, S. 47) 
und selbst eine Anzahl von Versuchen mit Drachen, aber noch ohne Instrumente, anstellte. Ich sah indessen 
alsbald, dass die Ueberwindung des rein technischen Theils der Aufgabe weit mehr Zeit und Mittel ver 
langte, als ich ihr widmen konnte und musste mich aufs Abwarten legen. Prof. Archibald hat leider seine 
Versuche nicht weiter verfolgt, da er bald darauf England verliess; selbst Briefe, die an ihn von hier aus 
in dieser Angelegenheit gerichtet wurden, kamen als unbestellbar zurück.. Es war mir deshalb eine grosse 
Freude, als im August 1894 Mr. Rotch bei einem Besuche in Hamburg mir mittheilte, dass soeben auf 
seinem Observatorium auf dem Blue Hill bei Boston die ersten Versuche mit dem Aufstieg von Drachen 
für meteorologische Zwecke vor sich gehen; Mr. Eddy von Bayonne bei New York, der durch seine erfolg 
reiche Beschäftigung mit Drachen seit einigen Jahren bekannt war und bereits einen Vorschlag an den Leiter 
des Washingtoner „Weather Bureau“, Prof. Harrington, in dieser Richtung gemacht hatte,**) halte sich 
eben auf dem Blue Hill auf, um diese Versuche in Gang zu bringen. In der That ist schön am 4. August 
1894 ein Richard’scher Thermograph, dessen schwere Tlieile durch solche aus Hartgummi und Aluminium 
ersetzt waren, mit Hülfe von 5 Eddy-Draclien, deren Oberfläche 9 qm betrug, 436 m über den Boden ge 
hoben worden und hat eine tadellose Aufzeichnung zurückgebracht. Damit war zum ersten Mal der Nach 
weis erbracht, dass man mittels wirklicher Registrirapparate mit Uhrwerk, die durch Drachen getragen 
werden, gute Aufzeichnungen aus der freien Atmosphäre erhalten könne; denn Arcliibalds Anemometer hatten 
nur ein Zählwerk, das den ganzen Windweg vom Verlassen des Erdbodens bis zur Herabkunft abzulesen 
gestattete. Der zweite Aufstieg eines Thermographen erfolgte am 15. August 1894, der dritte aber erst am 
23. Juli 1895. Am 19. August 1895 wurde zum ersten Male ein Barotliermograph hinaufgelassen, zunächst 
noch mit Eddy- oder Malay-Drachen; am 21. wurde er zuerst einem Ilargrave-Drachen anvertraut, deren 
erster am 18. August gestiegen war. Im November erbaute Fergusson seinen Tliermo-Anemograph, und 
vom 16. November an wurde dieser regelmässig benutzt. Erst am 27. Januar 1896 wurde die Hanfschnur 
durch Stahldraht ersetzt, wie ihn schon Archibald angewandt hatte. In diesem Monat wurden wasserdichte 
Drachen bei Regen und Schneefall in Verwendung genommen. Die Höhe von 1 Kilometer f) wurde am 
13. April 1896 zum ersten Mal erreicht, diejenige von 2 km am 1. August, am 8. Oktober eine Höhe von 
*) Die vereinzelten Versuche von Parry und Fisher 1S23, Espy um 1835, Birt und Ronalds 1847, Abbe 1S67 und 1S76, 
van Rysselberghe 1880 hatten keinen nennenswerthen Erfolg. 
**) Vergl. den Bericht von Harrington an den Chicago-Kongress für Luftschiffahrt (August 1S93), wiedergegeben in 
„Aeronautics“, 1894, S. 166, und, auszugsweise, in der Monthly Weather Review von Washington, Juli 1897. S. 313. 
f) Ueber dem Observatorium, das auf dem Gipfel des Hügels 102 m über dem Meere liegt.
	        
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