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Full text: 22, 1899

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P. Polis: Die Strömungen der Luft in den barometrischen Minima und Maxima. 
IV. Mechanische Theorie der Cyklonen und Anticyklonen. 
(Tabelle 9, Tafel IV). 
1) Theoretische Erörterungen der Fortpflanzung der Cyklonen. 
Versuchen wir weiter das aus obigen Diskussionen gefundene Verhalten der Ablenkungswinkel im Vereine 
mit den früheren Arbeiten auf die Fortbewegung der Cyklonen 'anzuwenden. 
Nach der in Sprung’® 101 ) Lehrbuch vertretenen Ansicht kann die Fortpflanzung derselben erfolgen, 
wenn an der Vorderseite eine ausströmende, an der Rückseite eine einströmende Bewegung der Luft statt 
findet. 
Herr Koppen hat aus den Grundgleichuugen von Guldberg und Mohn für die excentrischen 
Cyklonen abgeleitet, dass die Geschwindigkeit des Einströmens (v.coxa) an der Rückseite grösser als an der 
Vorderseite ist. In der Natur gehören vollkommen kreisförmige Cyklonen, bei denen die Temperaturver- 
theilung auf beiden Seiten gleich sein müsste, um keinen Anlass zur Fortbewegung zu geben, zu den 
äusserstcn Seltenheiten; vielmehr wird eine Depression, die an der Erdoberfläche nicht excentrisch gestaltet 
ist, sich in einer gewissen Höhe deformiren und eine excentrische 1 * 3 ) Form annehmen. 
Bekannterweise hat Herr Sprung l0> ) gegen die mechanische Theorie zur /eit den Eimviuf gemacht : 
„Am Orte des niedrigsten Druckes müsste statt Windstille eine der Richtung und Fortpflanzungsgeschwindig 
keit gleiche Luftströmung vorhanden sein.“ Um diesem Einwurf zu begegnen, bat Herr Koppen 105 ) ausser 
dem cyklonischen auch noch den sogenannten Fortpflanzungsgradienten eingeführt, welcher der mit grosser 
Geschwindigkeit west—-östlich daliinfliessenden oberen Luftströmung entspricht; diese bewegt sich in Folge 
des grösseren Temperaturgradienten zwischen Pol und Aequator in der Winterzeit doppelt bis viermal so 
schnell als im Sommer. 
Der zweite Einwurf des Herrn Sprung, 10 *) wonach auf der Vorderseite Ausströmen der Luft, auf der 
Rückseite jedoch starkes Einströmen der Luft vorhanden ist, scheint durch die europäischen Cyklonen an 
der Erdoberfläche gerechtfertigt zu sein. 
Es ist dies aber, wie wir früher sahen, eine Folge der Reibungsverhältnisse, wodurch sich auch die 
geringere Fortpflanzungsgeschwindigkeit derselben im Gegensätze zu den amerikanischen und Meercyklonen 
erklärt, indem durch Annäherung der Luftströmungen an die Gradientenrichtung auf der Vorderseite die 
treibenden im West-Quadranten einströmenden Lufttheilchen eine Verzögerung erfahren, was nothwendiger- 
weise die Geschwindigkeit der Fortbewegung hemmt. 
Fortbewegung und Höhe der Cyklonen; Ein- und Ausströmen. Für die Fortbewegung einer 
Cyklone ist nicht die Luftbewegung an der Erdoberfläche maassgebend, sondern diejenige in der Schicht 
mit der grössten Bewegungsenergie, d. li. mit dem grössten Produkt aus Geschwindigkeit und Dichtigkeit, 
weil in ihr die Zufuhr oder Abfuhr der Luft am schnellsten vor sich geht. 
Nun beweisen unsere Messungen für Höchenschwand und die Schneekoppe in einer geringeren Höhe 
als die der Unterwolken eine starke Vergrösserung von « auf der Vorderseite (siehe auch Scheitelwertlie), 
welches auf ein zeitweiliges Ausströmen der Luft in jenen Höhen hinzudeuten scheint, während an der Rück 
seite die Luft lebhaft einströmt. Ersteres wild mit zunehmender Höhe stärker — vergl. Bewegung der 
Cirruswolken. Es wird daher in der Regel die Schicht des Ausströmens vorne die mächtigere sein. Herr 
Koppen 1 “ 7 ) weist darauf hin, dass die verschiedene Höhe der Wirbel einen bedeutenden Einfluss auf die 
Fortpflanzung derselben ausübt, indem dann die Schicht mit grösstem Einströmen eine Verlagerung nacli 
oben bezw. unten erfahren kann und in Folge der Reihung an der Erdoberfläche, die ihrerseits die geringere 
Ablenkung der südöstlichen Luftströmungen bewirkt, auch jene der Erdoberfläche zunächst liegende Schicht 
das Uebergewicht erhält, womit eine westwärts gerichtete Bewegung verbunden sein wird; vorausgesetzt, dass 
nicht andere Kräfte, etwa der umgebende Luftdruck oder thermische Ursachen, die einzuschlagende Be 
wegungsrichtung noch intensiver beeinflussen. 
Wir müssen also zunächst untersuchen, oh die ausströmenden Bewegungen in der Höhe der Schnee 
koppe thatsächlich vorhanden sind, indem wir die Geschwindigkeit des Windes in jener Höhe von der Fort 
pflanzungsgeschwindigkeit der Minima abziehen, denn die ermittelten Ablenkungswinkel stellen die Bewegung 
der Luft auf das fortschreitende Windsystem dar. 
Herr Sprung 108 ) hat im Kapitel über die Ortsveränderung atmosphärischer Wirbel eine ähnliche Kon 
struktion für die Cyklonen an der Erdoberfläche vorgenommen, indem er die Geschwindigkeit der Luft-
	        
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