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Full text: 22, 1899

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1S99 No. 6 — 
Bei der Vereinigung der Weichselgewässer mit denen der Ostsee ist sowohl diese Rechtsdrehung der 
Rinne als das geringe Gefälle deutlich sichtbar. Die Wirkungen der Weichselgewässer, zu denen sich die 
Gewässer aus dem Kurischen Haff gesellen, sind vielleicht die Ursache der grossen Zunge der +100 mm- 
Linie, welche sich bis dicht an die Ostküste von Gotland drängt; und in der Zunge über P\ 3 und P v t 
hätte man die Wirkungen der zuerst nach rechts an der Küste entlang gelaufenen Odergewässer und der 
pommerschen Flüsse zu suchen. In den Stationen E S2 und P 7ä käme dann wieder die schwerere Unterströmung 
zum Vorschein, die unter den allmählich sich westlich wendenden Odergewässern sich wieder hervordrängt, 
um gleich darauf von den Weichselgewässem überfluthet zu werden. Die KrümmeFsche Beobachtung K { 
schliesst sich merkwürdig gut und ergänzend an E*-i und Ei % an. 
Zwei Stationen sind es, die sich dem Rahmen der Zeichnung nicht ohne weiteres einfügen lassen. Die 
Station Pios unweit der Nordspitze Gotlands und P52 an der schwedischen Küste. Bei Station 108 ist es 
eine verhältnissmässig hohe Temperatur und ein verhältnissmässig niedriger und sehr unregelmässiger Salz 
gehalt, der die ungewöhnliche Höhe hervorbringt. Da die Station so nahe der Küste liegt, so liesse sich 
vielleicht ein Einfluss von Land her nachweisen. Leider steht mir eine genauere Karte von Gotland nicht 
zur Verfügung, um dies auf klären zu können. Auf einer mir von der Kaiserl. Werft durch Herrn Korv.-Kapt. 
Ferber freundlichst zur Verfügung gestellten schwedischen Seekarte (die Insel Gotland) ist fast genau süd 
lich von der Station die Mündung eines sehr ausgedehnten Sumpfes (träsk) angegeben. Vielleicht liegt in 
den sommerlich erwärmten Abflussgewässern dieses Sumpfes der Grund der Niveauerhöhung. — Die Ab 
weichung der Station 52 ist schwerer erklärlich, doch so gering, dass man wohl einen Beobachtungsfehler 
annehmen kann. — Eine scheinbare Ausnahme, die sehr bcmerkenswerth ist, soll noch erwähnt werden. In 
der Bottensee, d. li. zwischen Aland und den Quarken, scheint es, als ob die Rinne sich nicht an die rechte 
Seite, die schwedische Küste dränge, sondern im Gegentlieil der finnischen Küste näher liege. Es ist nicht 
unwahrscheinlich, dass dies in der That der Fall ist, und ein Blick auf eine physikalische Karte der an 
liegenden Küstenstriche würde die Sache auch erklärlich machen. Die Zuflüsse nämlich, welche die Ostsee 
von der finnischen Seenplatte erhält, sind ganz verschwindend im Gegensatz zu denen von der schwedischen 
Seite; und diese vielen, wasserreichen und schnellfliessenden schwedischen Flüsse bewirken durch ihre Aus- 
süssung der Küstengewässer ein Abdrängen der Rinne von der schwedischen Seite. Das geringe Gefälle 
giebt Zeugniss von einer durch Aussüssung weithin nach Osten sich erstreckenden Niveauerhebung. — Die 
Station P 2S erscheint hier nicht ganz einwandsfrei, indessen ist der hohe Niveaustand wohl erklärlich, wenn 
man ähnlich w r ie bei Station 34 eine durch die Gewässer des Urne-Elf hervorgerufene, zungenartig ver 
laufende Niveauerhöhung annimmt, und die relative Lage von P27, 2s und P 35 , 34 begünstigt diese Annahme 
sehr. Ganz deutlich tritt dieser Einfluss frischen Wassers vor Stockholm hervor. 
Erwähnenswerth ist noch die Ausbuchtung nördlich von Bornholm (gegen Sandhammar hin), die ich 
nicht zu erklären imstande bin. 
Wenn man die gegebenen Erläuterungen genau verfolgt, so scheint es, als bestände zwischen der 
Deutung der Dinge für die Beltsee und für die Ostsee ein gewisser Widerspruch. Im ersten l alle habe ich 
die Lage der tiefen Rinne an der deutschen Küste, also der linken Seite des ausfliessenden Stromes, durch 
die Erdrotation erklärt. Im zweiten Falle habe ich dieselbe Erklärung für das Rechtsdrängen der Mulde 
angeführt. Dieser Widerspruch löst sich jedoch auf folgende Weise. Während in der Ostsee infolge der 
gleichmässigeren Vertheilung des Salzgehaltes in den einzelnen Schichten eines Querschnittes die tiefe 
Rinne wirklich eine Flussrinne ist, d. h. die einzelnen Niveaulinien der Karte gewissermaassen Isohypsen 
sind, auf denen die Gradienten der Stromrichtung, abgesehen von der Erdrotation, senkrecht stehen, ist 
dies in der Beltsee durchaus nicht der Fall, wenigstens nicht in dem Maasse wie in der Ostsee; denn man 
hat dort nicht eine homogene Wassermasse vor sich, sondern zwei Gewässer ganz verschiedener Art und 
Herkunft, von welchen jedes seinen Lauf für sich verfolgt. Die Niveaulinien der Beltsee sind daher ein 
Mischprodukt aus den Niveaulinien, die jedes der Gewässer für sich bedingen würde, aber die des Ostsee 
wassers herrschen an der schwedischen, die des Nordseewassers an der jütischen Küste vor, und da die 
letzteren ein niedrigeres Niveau bedingen, so läuft die tiefe Mulde der Dichtigkeitsfläche an der dänisch 
deutschen Küste südlich, ohne jedoch den nordwärts fliessenden Ostseestrom direkt westlich zu ziehen. Je 
weiter nach Norden allerdings, desto mehr tritt seine westliche Komponente hervor. Ich werde noch darauf 
zurückkommen.
	        
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