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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1898 No. 5 —
geschwindigkeit ansehen, die der stürmischsten Stunde solcher Stürme im Mittel zukommt, deren Böen
11 '/j Beaufort erreichen und überschreiten. Wie weit die Windgeschwindigkeit in kürzeren Zeiträumen
darüber hinausgeht, davon lässt sich leider nur wenig sagen. In Hamburg ist sie am 12. Februar 1894 bis
zu 32 m pr. Sek. korr. gemessen worden, in Holyhead am 22. Dezember 1894 bis zu 49m pr. Sek. Das
letztere ist jedenfalls eine so grosse Ausnahme, dass wir diese Stärke ruhig als volle 12 Beaufort taxiren
dürfen. Ebendahin gehören aber auch die in kurzen Zeiträumen zu Mauritius und Manila gemessenen Ge
schwindigkeiten von 40 m pr. Sek. nach ihren Wirkungen ohne jeden Widerspruch. Wir müssen also den
Geschwindigkeitswerth von ll'/s Beaufort etwas oberhalb 30m pr. Sek. suchen. Die Kurve der Fig. 3 ergiebt
nur 2B'/2 m pr. Sek.; wir dürfen aber garniclit erwarten, dass die Bedlie unbewusster Ueberlegungen, welche
einer Schätzungsskala aus der eigenen Erfahrung heraus zu Grunde gelegt wird, auch dort eine Kontinuität
des Resultats liefert, wo diese Erfahrung für die meisten Menschen nicht mehr vorhanden ist. Jedenfalls
darf man dagegen kein Bedenken hegen, dass der Stufe 12 ein unvergleichlich grösserer Spielraum in Bezug
auf Windgeschwindigkeit eingeräiunt werde, als allen andern Stufen — ist sie doch nach oben hin einfach
unbegrenzt.
Die Grenzen der Beaufort’schen Stärkestufen ergeben sich aus allem Obigen für die Stärken 0 bis 5
genügend verlässlich; oberhalb 5 ist dies leider nicht der Fall. Die mittleren Grenzen und die über die
selben hinausgehenden Reihen stellen sich wie folgt:
Beaufort-Grad:
0 1
2 3
4 5 6 7 8 9 10
11
12
Grenzen in m pr. Sek.:
O—l 1—2
2—4 4—f>
6—S 8—10 10—12 12—14 14—17 17—20 20—23
23—30
>30
über
j Curtis und Scott |
?
?
J enseits
? Waldo
| Waldo |
?
?
derselben
unter ....
p
I . Gazelle . |
?
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• Elisabeth und Keitum . |
?
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Von der Stufe 0 an ist der Widerspruch zwischen den englischen Reihen und den deutschen, nament
lich der grossen Gazelle-Reihe, so bedeutend, dass wir die Frage nicht als abgeschlossen betrachten dürf'eu,
bis dieser Widerspruch hinreichend geklärt ist. In der Tliat ist eine wahre Windgeschwindigkeit von
16 m pr. Sek. nach den Reihen von Waldo und Curtis nur als 7, nach jenen von Chatterton und Mohn als
8, nach denen von der Gazelle, Elisabeth und der deutschen Küste schon als 9 Beaufort zu schätzen.
Da die durchschnittliche Unsicherheit einer Stärkeschätzung der Beaufort\schen Skala einen Grad der
selben nach allen Erfahrungen nicht wesentlich übersteigt, so sind solche Schätzungen für synoptische Karten
sehr brauchbar. In der Tliat kann man auf den Wetterkarten, besonders auf dem Ozean, oft ganze Gruppen
benachbarter Beobachtungen finden, in denen die gleichzeitigen Windstärken nur zwischen 5 und 7, oder
7 bis 9 und dergl. schwanken und sich auf weitere Entfernungen regelmässig ändern. Vollkommen brauchbar
sind solche Schätzungen auch dort, wo es sich, wie bei der Ableitung von Mittelwerthen für bestimmte
Raumabschnitte des Ozeans, um die Vergleichung der Durchschnitte aus den Schätzungen sehr vieler ver
schiedener Beobachter handelt, die zudem noch in den verglichenen Raumabschnitten theilweise dieselben
sind. Die Mängel, mit denen man in der Bestimmung der mittleren Windstärke für die einzelnen Meeres-
theile zu kämpfen hat, liegen deshalb nicht in der verschiedenen Schätzungsweise der Beobachter, sondern
sie fangen dort an, wo alle Beobachter in derselben Richtung, mehr oder weniger, beeinflusst sich zeigen;
so bei der Fahrt vor dem Winde, wo zu niedrig geschätzt wird (vgl. Ann. d. Hydr., 1897, S. 331), ebenso
bei Stillen oder Stürmen, durch die das Segelschiff zu lange im betr. Meerestheil aufgehalten und der Mittel
werth infolge dessen beeinflusst wird; es ist ja klar, dass gute Segelwinde, die das Schiff schnell durch den
betreffenden Meerestheil hindurchführen, in den Beobachtungen von Schiffen in Fahrt viel weniger Zeit ein
nehmen werden, als in denen einer festen Station des gleichen Raumes, während Stürme, die zum Beidrehen
zwingen, oder Stillen das Schiff dem festen Punkt ähnlich machen. In den Mittelwerthen der Windstärke
heben sich diese Einflüsse' aber theilweise auf, tlieils lassen sie sich auch korrigiren; wir können daher die
Karten der mittleren Windstärke für die Ozeane dort, wo sie auf einem nicht gar zu spärlichen Material
beruhen, als genügend genau betrachten.