Dr. Grossmann: Die Stürme und die Sturmwarnungen an der deutschen Küste in den Jahren 1SS6/95,
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Archiv 1S9S. 4.
und ausserdem ungünstig besetzt ist, da an beiden Signalstellen die Neigung zu niedrigen Windstärke
schätzungen vorliegen dürfte.
Die prozentische Vertheilung nach den Gruppensturmstärken zeigt für die leichtesten Stürme der drei
Nordseegnippen eine Zunahme von West nach Ost, für die Gruppenstärken 1 — 2 eine nahezu ebenso grosse
Abnahme, und für die grössten Stärken ein kleines Ueberwiegen der Gruppe VI/YII.
Ein Vergleich der den einzelnen Nordseegruppen zukommenden Häufigkeitszahlen mit den für die Nord
seeküste als Ganzes berechneten lehrt, dass bei einem so weit ausgedehnten Gebiete wie der Nordsee auch
stärkere Stürme mehr lokaler Art, auf Theile der Küste beschränkt, öfters auftreten; so hatte Gruppe IX
90 Sturmtage der Gruppensturmstärke 2, gegenüber 57, die diesen Charakter für die ganze Nordsee besassen.
Besonders aber tritt die lokale Natur der leichtesten Stürme hier hervor, von denen an der als ein Gebiet
aufgefassten Nordseeküste 343 auftreten, gegenüber nur 128 — 156 an ihren einzelnen Theilen.
§ 11. Die Sturmtage der Gruppensturmstärke 0. Während den Sturmtagen von den Gruppensturm
stärken 0 und 1 die Bedingung gemeinsam ist, dass die Maximalstärke an mindestens einer, aber weniger
als der Hälfte der Stationen der Gruppe 8 erreicht, besteht für die der Gruppenstärke 0 noch die Bedingung,
dass die Maximalstärke an weniger als der Hälfte der Stationen 7 erreicht, sodass die Sturmtage der
Gruppenstärke 0 im wesentlichen die innerhalb der einzelnen Küstengebiete lokal auftretenden stürmischen
Winde umfassen werden. Je weniger ausgedehnt das Küstengebiet gewählt wird, um so seltener wird es im
allgemeinen Vorkommen, dass selbst Stürme massiger Stärke (Gruppenstärke 2) darin so lokal auftreten,
dass sie den Fällen der Sturmtage der Gruppenstärke 0 zufallen. Neben der Ausdehnung eines Küstengebietes
beeinflusst aber in wohl noch höherem Maasse der Grad der Uebereinstimmung der einzelnen Theile eines
Küstengebietes in Bezug auf ihre Sturmgefährdung die Zahl der lokalen Stürme. In dieser Beziehung er
scheint es vollständig verständlich, dass die grösste Zahl der lokalen Stürme an den Gruppen I, VI/IX und
IV/V auftreten; die gleichmässig verlaufende pommersche Küste und die durchweg frei exponirten und über
ein verhältuissmässig wenig ausgedehntes Gebiet vertheilten Stationen der Insel Rügen und Umgegend ge
statten am wenigsten das Auftreten lokaler, nur einen Theil der Stationen treffender Stürme.
Bei der geringen Ausdehnung der gewählten Küstengebiete steht es jedoch zu erwarten, dass unter den
Stürmen der Gruppenstärke 0 nur vereinzelt lokale stärkere Stürme und selbst solche von massiger Stärke
selten aufgetreten sein werden, und dass jene Gruppe mit wenigen Ausnahmen nur die leichtesten Erschei
nungen umfassen werde. Bei dem so ungleichen Verlauf der Nordseeküste werden jene Ausnahmefälle etwas
häufiger auftreten; sie wurden jedoch auch hier nur selten beobachtet, wie aus Tabelle A. hervorgeht, wo
diejenigen Sturmtage mit aufgeführt wurden, an denen in der eingeklammert beigefügten Gruppe ein Sturm
der Gruppenstärke 2 auftrat, während der Tag für die ganze Nordseeküste nur durch die Gruppensturm
stärke 0 charakterisirt war.
Ferner ist zu beachten, dass zu hohe Windstärkeschätzungen eines einzigen Beobachters, der prinzipiell
einen steifen Wind als stürmisch bezeichnet, die Anzahl der Sturmtage der Gruppenstärke 0 ganz erheblich
zu vermehren vermögen.
Von der Heranziehung dieser leichtesten Stürme ist bei der Untersuchung vielfach abgesehen worden,
da aucli für das Sturmwarnungswesen die Sturmtage der Gruppenstärke 0 im allgemeinen keine Bedeutung
haben, indem es sich bei ihnen, wie gezeigt, mit vereinzelten Ausnahmen um stürmische Witterung leichter
und lokaler Art handelt, die der Schiffahrt keinen Schaden zufügt. Ausserdem würde die erfolgreiche War
nung auch aller dieser Erscheinungen selbst in dem Falle, dass keine einzige Fehlwarnung ohne nachfolgende
stürmische Witterung ausgegeben werde, ein Hängen des Signals an Theilen der Küste für nicht weniger
als 90 Tage im Jahre im Mittel erfordern! Ein so häufiges Hängen der Signale würde aber sehr bald eine
allgemeine Nichtbeachtung der Sturmwarnungen zur Folge haben, sodass sich die Aufgabe des Sturmwarnungs
wesens wesentlich darauf beschränken muss, die Küste vor Stürmen der Gruppenstärken 2—5 und allenfalls
auch der Gruppenstärken 1 rechtzeitig zu warnen.
§ 12. Vertheilung der Sturmtage des Jahres auf die Windrose. In Tabelle II finden sich die Sturm- Tab. II.
tage des Untersuchungs-Zeitraumes, für die Gruppenstärke 0 und die Gesamtheit der übrigen Gruppen
stärken getrennt, nach Windrichtungen und Küstengebieten geordnet.