Dr. C. Kassner: Untersuchungen über die Bewölkungsverhältnisse von Tiflis.
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Archiv 1898. 3.
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Deutung im einzelnen bei dem Mangel an einer eingehenden Untersuchung der anderen Elemente und an
der Kenntniss der gleichzeitigen Vorgänge in den höheren Luftschichten gegenwärtig nur hypothetisch ge
schehen könnte.
Dasselbe gilt natürlich auch von dem Gange der Bewölkung an trüben Tagen, der gleichfalls gewisse
Eigenthümlichkeiten alle Monate hindurch aufweist: Minima um Mitternacht und vielfach auch am Nachmittage
(im Sommer gegen 1% sonst später bis gegen 5P), schnelles Ansteigen bis zum Sonnenaufgang, schnelles
Sinken nach Sonnenuntergang. In den kühlen Monaten verlaufen die Kurven innerhalb engerer Grenzen
und auch mit weniger Schwankungen als im Sommer. Wie wir schon sahen, ist die Bewölkung nachts meist
nicht gross, ob mehr oder weniger richtet sich nach der jeweiligen Wetterlage; bei den trüben Tagen ist
jene naturgemäss hoch: meist zwischen 80 und 90% und nur im August beträgt sie im Durchschnitt 77%.
Bis zum Sonnenaufgang nimmt sie aber noch zu und erreicht jetzt 95 bis 99%, sodass der Himmel in der
Mehrzahl der Tage frühmorgens völlig bedeckt ist. Im Laufe des Tages findet eine Abnahme der Bewöl
kung statt, die im Sommer früher, im Winter später ihr Ende erreicht und dann zum Abend wieder in
eine Zunahme übergeht. Hierauf erfolgt aufs neue ein schneller Abfall der Kurve.
Den Verlauf der einzelnen Monatskurven auf seine Ursachen zurückzuführen, ist, wie schon gesagt,
gegenwärtig nicht möglich, wohl aber sind wir jetzt im stände, eine früher (S. 18) erwähnte Eigenthümlich-
keit des täglichen Ganges der Bewölkung im Mai und Juni, der eine enorme Zunahme in den ersten Nach
mittagsstunden zeigt, in einem anderen Zusammenhänge zu erörtern. Diese Zunahme ist nicht dadurch zu
erklären, dass alle Tage — heitere, wolkige und trübe — gleichzeitig dieselbe Erscheinung zeigen, denn die
heiteren Tage können kein irgendwie auffälliges Verhalten aufweisen. Dagegen steigt die Kurve der trüben
Tage von 1 bis 3 p sehr schnell an (7%), aber auch nicht in so hohem Betrage, um allein ausschlaggebend
zu sein, deshalb muss man annehmen, dass hier sich vornehmlich die wolkigen Tage geltend machen; zur
Prüfung dieser Folgerung habe ich mittelst der auf S. 15 angegebenen Formel aus den Stundenwerthen
für heitere und trübe Tage diejenigen für wolkige berechnet. Für den hier allein in Frage kommenden
Nachmittag ergeben sich folgende Mittelwerthe:
12“ 1P 2 P BP 4P 5P 6P 7P 8P 9P 10P
Mai .
Juni
63
44
69
52
75
61
83
67
88
70
86
76
86
76
86
76
83
78
71
67
67
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welche in unzweifelhafter Klarheit zeigen, dass ausschliesslich die wolkigen Tage die Nachmittags
kurve so enorm ansteigen lassen. Im Mai beträgt die Zunahme von 12“ bis 4P 25% und im Juni
von 12“ ebenfalls bis 4 p 26% und bis zum Maximum um 8 p sogar 34%. Da nun wolkiger Himmel im
wesentlichen der Kumulusbildung im aufsteigenden Luftstrom zuzuschreiben ist, so wird man auch für den
täglichen Gang der Bewölkung im Mai und Juni dieselbe Ursache annehmen können, und in der That ergab
eine Durchsicht der Beobachtungen über die Wolkenformen, dass im Mai und Juni der Kumulus und Kumulo-
stratus (jetzt Stratokumulus genannt) weitaus vorherrscht. Warum aber diese Ursache sich in den noch
wärmeren folgenden Monaten nicht in gleicher oder noch stärkerer Weise geltend macht, lässt sich vor der
Hand noch nicht zu sagen, vermuthlich aber rührt dies daher, dass zwar die Temperatur vom Juni zum
Juli hin stärker als vorher zunimmt (3.2° im Monatsmittel), nicht aber in gleichem Maasse auch die absolute
Feuchtigkeit (nur 1.0 mm), sodass die relative Feuchtigkeit um 17% und zum August hin noch um weitere
14% abnimmt. Durch diese höhere Temperatur und die relativ geringere Feuchtigkeit kann natürlich die
aufsteigende Luft viel schwerer und in erheblich kleinerem Maasse zur Wolkenbildung Anlass geben, daher
das geringe Ansteigen der Kurven am Nachmittage im Hochsommer.
IV. Der jährliche und tägliche Gang der Bewölkung an Zyklonen- und Antizyklonen-Tagen.
„Verschiedene Untersuchungen über die vertikale Temperaturvertheilung und die Bewölkung haben ge
zeigt, dass wir im Laufe des Tages unter normalen Verhältnissen vertikale Luftströmungen haben, deren
Intensität von der Tageszeit abhängig ist; und da in den Zyklonen und Antizyklonen auch vertikale Luft
strömungen Vorkommen, die normale Intensität der Luftströmungen aber von der Tageszeit abhängig ist,
so dürften wohl die zur Zeit der Zyklonen und Antizyklonen herrschenden vertikalen Luftströmungen auch
von der Tageszeit abhängig sein, indem dieselben durch die mit der Tageszeit wechselnde Intensität der