Arehiv 189$. 3.
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No. 3.
Untersuchungen über die Bewölkungsverhältnisse von Tiflis.
Von Dr. C. Kassner, Berlin.
Einleitung.
Der Beobachtungsdienst an meteorologischen Zentral-Observatorien beginnt gegenwärtig in seine dritte
Phase einzutreten. Als die Meteorologie noch ziemlich in den Kinderschuhen steckte, machte sich mehr
und mehr das Bediirfniss geltend, Genaueres über den täglichen Gang der Elemente zu erfahren; da man
aber noch nicht über gute Registrir-Instrumente verfügte, so war man auf direkte Beobachtungen angewiesen.
Nachdem jedoch brauchbare Kegistrir-Instrumente erfunden waren, verliess man sich mehr und mehr auf
sie, zumal gelegentliche Kontrollen am Tage ohne Beschwerden ausführbar waren. Infolgedessen wuchs die
Zahl der Observatorien und der veröffentlichten Stundenwerthe der meteorologischen Elemente so stark an,
dass man über dem so ausgeschütteten Beichthum an Beobachtungs - Material ein Element fast allerorten
ganz vergass — die Bewölkung. Man erinnerte sich ihrer erst wieder, als infolge der Studien über die
Bewegungen der Atmosphäre die Wolken als wichtiges Hilfsmittel in den Vordergrund traten. Allgemein
machte sich jetzt der Mangel stündlicher Aufzeichnungen über die Bewölkung in hohem Grade fühlbar, und
um demselben abzuhelfen, versuchte man anfangs mit Instrumenten, wie dem Sonnenschein-Autographen,
dem Polstar-Recorder, oder sonstwie auf photographischem Wege solche Aufzeichnungen zu erhalten, leider
ohne damit bis jetzt vollauf befriedigende Resultate erzielt zu haben. Daher fängt man gegenwärtig von
neuem an, die direkten Augenbeobachtungen auch für die Nacht einzuführen, aber der begangene Fehler
wird sich nur schwer oder gar nicht wieder einbringen lassen, denn einestheils muss man nun manche Jahre
mit Untersuchungen warten, bis für einen genügend langen Zeitraum stündliche Beobachtungen vorliegen,
während anderenteils zur Erklärung der bisher veröffentlichten Registrirungen der anderen Elemente die
oft unentbehrlichen Bewölkungs-Aufzeichnungen fehlen und man sie noch oft schmerzlich vermissen wird.
Glücklicherweise giebt es aber noch einige Observatorien, welche gerade die Anstellung stündlicher
direkter Beobachtungen schon seit vielen Jahren als ihre Hauptaufgabe betrachtet haben und davon trotz
aller Registrir - Apparate nicht abgegangen sind. Ihnen muss die Meteorologie für diese ausserordentliche
Mühewaltung und die dadurch erlangten höchst werthvollen Aufzeichnungen in besonderem Maasse zu Dank
verpflichtet sein. Zu diesen Observatorien gehört das Tifliser, von welchem bereits für drei Lustren stünd
liche Werthe aller meteorologischen Elemente vorliegen, und welches auch schon vorher für 1871—79 zehnmal
tagsüber erhaltene Beobachtungs-Ergebnisse veröffentlichte.
Die Stadt Tiflis liegt in 420—580 m Meereshöhe zu beiden Seiten des Flusses Kura, der hier von NW
nach SE in einem nicht breiten und von hohen Bergen eingefassten Thale dahinfliesst. 1 ) Eine halbe geogra
phische Meile nördlich vom Mittelpunkt der Stadt, jenseits der Vorstadt Kuki, befindet sich das Observa
torium (409m über dem Meere), von Gärten umgeben und nahe dem Flusse. Schon 8 km nach SW zu
erheben sich die Berge bis zu 1000 m relativer Höhe, sodass hier der Horizont etwas beengt ist. In welchem
Betrage das der Fall ist, ersieht man aus den Messungen des Höhenwinkels, welche der frühere Leiter des
Observatoriums, Herr Moritz, für alle 10° Azimuth ausgeführt und in einer Zeichnung niedei’gelegt hat. 2 )
') Vergl. für die Beschreibung des Observatoriums und seiner Lage den Aufsatz von Moritz, Astronomische Nach
richten 69, 273 ff.; ferner die Einleitung zu dem weiter unten zitirten 2. Bande der Tifliser Beobachtungen (1876—1879) und
Rykatschew, „Die Vertheilung der Winde und des Luftdrucks am Kaspischen Meere.“ Report. f. Meteorol. 11, No. 2, 26.
Diese Zeichnung ist auf dem Situationsplan des Observatoriums enthalten, welcher dem in Anm, l ) zitirten Aufsatz,
von Moritz und den meisten Exemplaren der Tifliser Beobachtungen (1876—1879) beigegeben ist.