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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1S06 No. 4 —
Fick 1(i ) weist anfangs auf die Schwierigkeit hin, welche darin besteht, das plötzliche Entstehen enormer
elektrischer Spannungen zu erklären, welche Funkenbahnen mehrerer Kilometer Länge verursachen. Mit
einem Theil dieser Bemerkung hat er liecht; es ist jedoch weniger exakt, als Folge der enormen Spannun
gen Funkenbahnen von ausserordentlicher Länge zu adoptiren. Ein Blitzstrahl ist eher zu betrachten als
eine Reihe schnell hintereinander folgender kleinerer oscillirender Entladungen, auf welche die „édairs en
chapelet“ auch hinzudeuten scheinen. Weiter sagt Fick, dass die Blitz verursachenden Spannungen auch
nicht allmählich entstanden sein können, weil hohe Spannungen in einer feuchten Wolkenatmosphäre nicht
lange Stand halten können; eine regelmässige Hervorbringung von dergleichen hohen Spannungen muss
immer Hand in Hand gehen mit einer langsamen Entladung. Die grossen Spannungen kann Fick sich auch
nicht auf. einmal entstanden denken. Wenn Reibung verschiedener Luftströme die Ursache ist, dann sind
die Kräfte, welche die beiden Elektrizitäten trennen, nur auf einigen getrennten Wasser- und Eistheilchen
thätig, und deshalb müssen die abgesonderten Elektrizität«-Quantitäten — obschon frei — doch in engem
Raum bunt durcheinander gemischt sein.
Eine eigentliche Erklärung der Gewitter-Elektrizität giebt Fick nicht. Er setzt das Vorhandensein
einer ursprünglichen schwachen elektrischen Ladung voraus Die enorme Spannungs-Erhöhung soll wieder
eine Folge der Oberflächen-Kontraktion heim Zusammenfliessen der gesonderten Dampftheilchcn zu Wasser
tropfen sein. Die jähe Tropfenbildung in Dampfmengen werde verursacht durch schnelles Eindringen kalter
Luftströme in warme, feuchte Theile der Atmosphäre.
Gerland 41 ) will nur Gewitter-Elektrizität erklären; er schliesst seine Betrachtungen an die Unter
suchungen von Bezold’s über Gewitter an. Die Veranlassung eines Gewitters ist nach letzgenanntem ein mit
wachsender Geschwindigkeit aufsteigender Luftstrom. In diesem Luftstrome finde durch die Einwirkung der
Kälte der höheren Schichten der Atmosphäre Kondensation des Wasserdampfes statt, und die hierdurch
freiwerdende Verdampfungswärme vermehre von neuem die Steigkraft. Es ist nicht ganz klar, ob Gerland
der Kondensation dieses Wasserdampfes oder der Reibung des kondensirten Dampfes in statu nascendi
nicht auch einen Theil der Elektrizitäts-Erregung zuschreibt, jedoch wohl, dass er die Reibung der gebil
deten Regentropfen bei dem Herabfallen durch die Luft als eine Elektrizitätsquelle betrachtet. Je kräftiger
der aufsteigende Strom, je grösser die Spannungs - Differenz bis Blitze folgen; ist die Geschwindigkeit ge
ringer, dann findet die Entladung nach und nach statt. Reibung von Wassertropfen an der Luft scheint
nach den letzten Untersuchungen über den elektrischen Zustand der Luft in der Nähe von Wasserfällen
eine Quells der Elektrizität 19 ) zu sein; ausserdem ist es bereits durch Palmieri s ) bekannt, dass jeder
Regenguss, auch wenn er nur in einiger Entfernung niederkommt, das positive Zeichen der Luftelektrizität
in ein negatives verändert. Die Untersuchungen in dieser Richtung können jedoch noch nicht als abge
schlossen betrachtet werden. Gerl and’s meteorologische Andeutungen sind jedoch ungenügend. Es ist
nicht klar, wie die hohen Spannungen entstehen, und weshalb nicht jeder Landregen von, wenn auch sehr
schwachen, elektrischen Entladungen begleitet ist.
Hoppe 50 ) versucht die atmosphärische und die Gewitter-Elektrizität zu erklären. Er stützt sich dabei
auf eigene Experimente. Die Verdampfung von Wasser unter der Glocke einer Luftpumpe veranlasste nie
mals die geringsten Spuren einer Elektrizitäts - Erregung; legte er jedoch auf das verdampfende Wasser
einen Schwamm, dann zeigte das Elektroskop, in Folge der Reibung der aufsteigenden Dämpfe an dem
Schwamm, bedeutende Ausschläge. In Uebereinstimmung hiermit will Hoppe die Quelle der Luftelek
trizität in der Reibung des Wasserdampfes an den festen Theilen der Erde suchen. Die Gewitter klassi-
fizirt er in lokale und Depressions-Gewitter. Erstere erklärt er analog wie Gerland. Anfangs werden
die entstandenen Wassertropfen durch den aufsteigenden Luftstrom in die Höhe geführt, und hierdurch er
fährt dieser Luftstrom hauptsächlich an der äusseren Seite starke Reibung, welche in höheren Schichten
der Atmosphäre nach und nach auf die inneren Theile übertragen wird. So wird die Wolke selbst positiv,
die umgebende Luft negativ elektrisch. Zuletzt sind die Regentropfen so gross geworden, dass ihr Gewicht
grösser ist, als die emportreibende Kraft; sie fallen als Gussregen herunter. Steigt die feuchte Luft bis
oberhalb jener Höhe, wo nur Temperaturen unter dem Gefrierpunkt Vorkommen, dann findet Hagelbildung
statt. Welcher Art die sich bei diesem Vorgang reibenden Körper sind, wird jedoch nicht angegeben.
Für die Bildung der Elektrizität bei seinen Depressions-Gewittern giebt Hoppe eine im Wesen damit
übereinstimmende Erklärung, nämlich gegenseitige Reibung von Luftmassen verschiedener Temperatur und
Feuchtigkeit. Weiter versucht er, einige meist ganz vereinzelt dastehende Gewitter-Beobachtungen mit seiner
Theorie iu Einklang zu bringen.