IV
Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte
vorragende Stelle der Umstand ein, dass die Aspiranten für die Navigationsschulen .bisher und voraussicht
lich auch für die nächste Zukunft jener Klasse von jungen Steuerleuten entnommen werden, welche das
Schiffer-Examen mit Auszeichnung bestanden haben und wohl eine ganz gute allgemeine Bildung mit in
ihren Beruf bringen, die aber nur in seltenen Fällen eine gründliche Durchbildung in den mathematisch
physikalischen Fächern umfasst. Für das eingehende Studium und den Erfolg im Lehrberufe aller jener
Zweige der Navigation, welche nach dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft den Kern der Bedingung
für Raschheit und Sicherheit des Verkehres zur See ausmachen, ist jene Durchbildung aber in hohem Grade
wünschenswerth, um nicht zu sagen unentbehrlich, weshalb denn bei der Durchführung eines Planes, wie
der gegenwärtige, vor Allem Bedacht darauf genommen werden muss, dass den angedeuteten störenden Um
ständen durch zweckdienliche Einrichtungen entgegen gewirkt werde.
Von solchen Erwägungen geleitet, wurden die in dieser Denkschrift entwickelten Vorschläge für die
Einrichtung eines Instruktions-Kursus entworfen.“
Es geht aus diesen wenigen Sätzen zur Genüge der leitende Gedanke, welcher den Vorschlägen der
Seewarte zu Grunde lag, hervor. Was in der Denkschrift mit Vorsicht ausgesprochen wurde, lässt sich in
Kürze dahin zusammenfassen, dass man in der nicht genügenden Ausbildung eines grossen Theiles der
Navigationslehrer, welche an"den Schulen zu wirken berufen sind, die wesentlichste Ursache mangelhaften
Erfolges erblicken müsse. Man ging dabei von der unbeugsamen Richtigheit aus, dass es vor Allem darauf
ankomme, die schwierigen Gegenstände der physikalischen und astronomischen Nautik in klarer, einfacher
und für die Seeleute fassbarer Weise vorzutragen. Für die Erreichung dieses Zieles ist die Beherrschung
des Gegenstandes unbedingt erforderlich; diese Beherrschung zu bewirken oder zu vervollkommnen, war der
der Errichtung des Lehrkursus zu Grunde liegende Gedanke. Anstatt die Ueberbürdung des Lehrstoffes
und des Unterrichtes für die Schüler zu erhöhen, sollte vielmehr auf diesem, allein zum Ziele führenden
Wege eine Beschränkung, eine Vereinfachung herbeigeführt werden.
Nachdem der Vorschlag der Direktion der Seewarte in einer Konferenz, welche im Dezember 1878 in
der technischen Kommission für Seeschiffahrt stattgefunden hatte, durchberathen worden war, wurde der
erste Lehrkursus am 17. April 1882 in den Räumen der Seewarte eröffnet und bis zum Schlüsse des Monats
September des genannten Jahres durchgeführt. Wie alljährlich in der Folge der Lehrkursus in den Monaten
von April bis September abgehalten wurde, ist in den Jahres-Berichten der Seewarte über den Fortgang
und den Erfolg derselben berichtet.
Am Ende des ersten Dezenniums der Thätigkeit dieses Lehrkursus erachtete es die Direktion für ihre
Pflicht, nunmehr darauf hinzuwirken, dass der Besuch des Lehrkursus obligatorisch werde und durch ein
abzulegendes Examen der Erfolg, welcher bei den einzelnen Besuchenden erzielt war, konstatirt werden
könne. Dieser Antrag fand nicht die erwartete Billigung der zuständigen Behörden und so musste die Ein
richtung der Lekrkurse mit dem Jahre 1891 ihr Ende erreichen, nachdem eine erhebliche Anzahl älterer
Navigationslehrer und Aspiranten dieselben besucht hatte.*)
Der Jahres-Bericht XV der Deutschen Seewarte 1892 enthält im zweiten Abschnitte (1) die folgenden
Betrachtungen:
„. . . . Zum ersten Male seit 10 Jahren fand der alljährlich abgehaltene Lehrkursus für Navigations-
Lehrer und Navigationsschul-Aspiranten nicht mehr statt. Die Umstände, die zur Sistirung der unzweifel
haft wohlthätigen Einrichtung führten, sind in dem summarischen Berichte, welcher dem letztjährigen Jalires-
Beriehte einverleibt ist, Seite 87—40 andeutungsweise berührt und soll hier zur Ergänzung nur erwähnt
*) Siehe, den abschliessenden Bericht darüber in „Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte“, XIV. Jahrg. 1891, No. 1,
S. 37 - 40.