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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1S94 No. 6 —
Werthen von y die Funktionsdifferenzen für benachbarte Werthe von x beträchtliche Unterschiede zeigen.
Diese Unterschiede müssen, falls die Tabelle praktisch verwendbar sein soll, eine zu vernachlässigende
Grösse besitzen; denn nur dann reduzirt sich die Anzahl der nothwendigen Interpolationen auf zwei. Man
muss also bei einer solchen Tabelle ausser der Zulässigkeit linearer Interpolation noch verlangen, dass für
die in der Tabelle angegebenen benachbarten Variabeien-Werthe a;, {x + Aa;), y, Q/-f-A?/) entweder die
Funktionsänderungen:
\f(x]y + Ay) —f(as/y) J und \_f{x + dxly + \y)—f{x + \xly)\
oder die folgenden: [/(a: + Axly)—f (x/yjj und [/fa + Ax/y + Ay)—f (x\y + At/)J
sich um eine zu vernachlässigende Grösse unterscheiden. Aber auch wenn diese Bedingung erfüllt ist, bleibt
die rechnerische Interpolation eine Unbequemlichkeit, die für den Ungeübten entweder Zeitverlust oder Un
genauigkeit zur Folge hat.
Handelt es sich um Funktionen von mehr als zwei unabhängigen Veränderlichen, so werden Zahlen
tabellen sehr voluminös, da man auf einem Blatt in Spalten und Zeilen die Werthfolgen nur zweier Varia-
belen anordnen kann; man muss also i. A. (wenn nicht einzelne Variabele nur in Korrektionsgliedern im
llesultat auftreten), um eine weitere Mannigfaltigkeit darzustellen, eben eine ganze Serie von Tabellen zweier
Variabelen anlegen. Dagegen giebt es gewisse Funktionen von acht unabhängigen Variabelen, die derar
durch graphische Tafeln wiedergegeben werden können, dass eine solche Funktion durch einmalige Ablesung
auf einem Blatt, welches die ganze darzustellende Mannigfaltigkeit enthält, bestimmt werden kann. (S. 11.)
Aber auch bei Funktionen von zwei unabhängigen Veränderlichen sind graphische Tafeln häufig praktischer
als Zahlentabellen, weil sie eine grössere Anzahl von Werthen als diese direkt angeben können, und weil die
noch erforderlichen Interpolationen in Schätzungen mit dem Auge bestehen, die unmittelbarer ausgeführt
werden können als Ilechnungen, und in denen man rascher durch Uebung die nöthige Fertigkeit erlangt.
Die vorliegende Arbeit enthält im ersten Theile in grossen Zügen eine allgemeine Theorie, im zweiten
Beispiele solcher Tafeln, wie sie in der meteorologischen und physikalischen Praxis von Nutzen sein können.
Angeregt wurde ich zu dieser Arbeit durch meine Beschäftigung im meteorologischen Landesdienst für Eisass-
Lothringen während des Wintersemesters 1892—1893. Die Tafeln für meteorologische Zwecke sind schon
damals, grösstentheils in der hier vorliegenden Form, entstanden und werden bei der Zentralstelle in Strass
burg fortwährend gebraucht. Ich möchte an dieser Stelle dem Leiter des meteorologischen Landesdienstes,
Herrn Dr. H. Hergesell, für das wohlwollende und fördernde Interesse, das er diesen Arbeiten entgegen
gebracht hat, meinen besten Dank aussprechen.
Von der einschlägigen Litteratur kannte ich damals nur eine graphische Tafel für die Korrektion des
Barometerstandes wegen der Wärmeausdehnung des Quecksilbers und des Maassstabes. 1 * ) Durch gütige Mit
theilung des Verfassers derselben wurde ich später auf das Buch von M. d’Ocagne -), welches ebenfalls die
Theorie und Anwendung graphischer Tafeln behandelt, aufmerksam gemacht. Von diesem unterscheidet sich
meine Arbeit in der Theorie durch die allgemeinere Grundlage: Der Begriff „Abacus“ wird weiter gefasst;
es werden allgemeinere Methoden der Verwendung von Transparenten angegeben, und auch solche Winkel
und Bogenstücke resp. Abstände, die erst durch das Anlegen des Transparentes auf diesem bestimmt werden,
als Bilder von Variabelen eingeführt. Dadurch wird es möglich, gewisse Funktionen von sieben und acht
unabhängigen Veränderlichen (d’Ocagne gelangt bis zu Funktionen von fünf unabhängigen Variabelen) mit
einer Ablesung zu bestimmen. Ferner ward an Beispielen gezeigt, wie man gegebenen Falles Gleichförmig
keit der Maassstäbe erreicht, resp. ihr möglichst nahe kommt. Die praktischen Anwendungen beziehen sich
durchweg auf andere Gegenstände als bei d’Ocagne. Zu der kleinen Uebersicbt der französischen Litteratur
über den Stoff, die man bei d’Ocagne findet, dürfte von deutscher Seite jedenfalls das Werk von Vogler 3 )
hinzuzufügen sein.
l ) R. Mehmke, AVied. Ann. 4], p. S92, 1S90.
M. d’Ocagne, Nomograpkie. Les calculs usuels effectués au moyen des abaques. Paris 1891.
3 ) Ch. A. Vogler, Anleitung zum Entwerfen graphischer Tafeln und zu deren Gebrauch beim Schnellbereeknen und
Schnellquotiren mit Aneroid und Tachymeter für Ingenieure, Topographen und Alpenfreunde. Berlin 1877.