Dr. C. Stechert: Das Marine-Chronometer und seine Verwendung in der nautischen Praxis.
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Regelmässigkeit in ihrer elastischen Wirkung, einbüsst. — Die obigen Thatsachen sind erfahrenen Chrono
meter-Fabrikanten keineswegs unbekannt; zur Entscheidung der Frage, oh eine Reinigung nothwendig ist
oder nicht, wird von denselben, ausser einer Prüfung des Oeles, stets untersucht, wie viel die Schwingungs
amplitude der Unruhe von ihrer normalen Weite (l'/s his IV4 Umgang = 405° bis 450°) zurückgegangen ist.
§ 40. In Bezug auf die Frage, wem man die Ausführung einer Reparatur oder Reinigung des Chrono
meters anvertrauen soll, möge hier auf die Worte des berühmten Astronomen Hansen (Direktor der Stern
warte in Gotha, f 1874) verwiesen werden: „Unter der grossen Menge Derjenigen, welche sich mit der Ver
fertigung und Ausbesserung von Uhren beschäftigen, giebt es nur wenige Künstler, die im Stande sind, eine
Uhr zu verfertigen, welche den Namen Chronometer mit Recht verdient und bei Seereisen mit Nutzen an
gewendet werden kann. Ja selbst die Ausbesserung und blosse Reinigung eines Chronometers darf man nur
einem Künstler anvertrauen, der im Stande ist, selbst gute Chronometer zu verfertigen. In den Händen
eines gewöhnlichen Uhrmachers kann selbst bei dem besten Willen desselben, nichts daran zu verderben,
und während er meint, nichts daran verdorben zu haben, ein Chronometer so umgewandelt sein, dass lange
Arbeit eines geschickten Künstlers erfordert wird, um es in den vorigen Stand zu setzen und einen gleich
förmigen Gang wieder zu Wege zu bringen.“ — Zu den obigen, gewiss sehr beherzigenswerthen Worten
möge noch hinzugefügt werden, dass es im allgemeinen empfehlenswerth sein wird, das Chronometer stets
seinem Verfertiger zum Zwecke der Reinigung oder Reparatur zu übergeben. Abgesehen von dem natür
lichen Ehrgeize, welcher den Verfertiger veranlassen wird, den aus seiner Werkstätte hervorgegangenen
Instrumenten eine erhöhte Sorgfalt zuzuwenden, darf man annehmen, dass derselbe mit der besonderen An
ordnung und den Eigenschaften seiner Chronometer am genauesten vertraut ist. — Bleibt dem Kapitän irgend
ein Zweifel, oder ist das bisherige Verhalten des Instrumentes ein unbefriedigendes gewesen, so empfiehlt
es sich, eine auf die Wahl des Reparateurs bezügliche Frage an das nächste Observatorium zu richten.
Auch wird durch die Resultate der alljährlich in Deutschland, England und Frankreich veranstalteten Kon
kurrenz-Prüflingen ein mehr als ausreichendes Beobachtungs-Material geboten, auf Grundlage dessen ein
vollkommen objektives Urtheil über die Leistungsfähigkeit der betheiligten Fabrikanten erlangt werden kann.
— Es ist besonders zu empfehlen, dass der Kapitän vor dem Ankäufe eines neuen Instrumentes jene Listen
einer Durchsicht unterzieht und danach die Wahl des Fabrikanten trifft.
§ 41. Zum Schlüsse mögen hier noch einige Vorkehrungen und Vorsichts-Maassregeln hei der Ver
sendung von Chronometern mit der Post oder Eisenbahn Erwähnung finden. In den Aufforderungen zu den
alljährlich auf der Deutschen Seewarte in Hamburg abgehaltenen Konkurrenz-Prüfungen werden für diesen
Zweck die folgenden Vorschläge gemacht:
1) Man setze die Unruhe durch Unterschieben von Korkstückchen oder Papierstreifen fest, so dass
jede Bewegung verhindert wird.
2) Man befestige die Kompass-Aufhängung durch Einschieben des Befestigungs-Armes, oder auf irgend
eine andere, fest und sicher erscheinende Weise.
3) Man fülle den ganzen Raum zwischen dem Uhrgehäuse und dem hölzernen Kasten mit trockenem,
staubfreiem Werg oder mit Papierschnitzeln oder anderem weichen Materiale aus, um jede Bewegung
des Chronometers zu verhindern.
4) Der geschlossene Chronometerkasten ist in einem Weidenkorb oder einem etwas elastischen Kasten
in einer grossen Menge weichen Materials zu verpacken.
5) Zivei Chronometer können in einem Ivorhe verpackt werden, doch so, dass jede Berührung zwischen
ihnen durch Füllmaterial, Stroh oder Werg verhindert wird.
Es wird sich im allgemeinen empfehlen, das soeben erwähnte „Feststellen der Unruhe“ durch einen geschickten Uhr
macher ausführen zu lassen; für den Fall aber, dass ein solcher im Augenblicke nicht vorhanden und der Kapitän gezwungen
ist, diese an sich nicht schwierige Manipulation selbst auszuführen, mögen hier die folgenden praktischen Winke beigefügt
werden.
Da es für die Wirksamkeit der Zugfeder nicht vortheilhaft ist, wenn dieselbe sich längere Zeit ruhend in ganz oder
halb gespanntem Zustande befindet, so lasse man — wenn es irgend möglich ist — das Chronometer zunächst vollständig
ablaufen; das Stehenbleiben wird gewöhnlich 56 bis 60 Stunden nach dem letzten Aufziehen stattfinden. Nachdem man
dann den Arretirhebel eingesetzt und das Deckelglas entfernt hat, überzeuge man sich, ob auf dem Zifferblatte oder an den
Seiten des Gehäuses noch kleine Schrauben vorhanden sind, welche das Werk mit dem Gehäuse verbinden. Diese Schrauben
müssen zunächst heraus genommen werden. Nun lege man die Finger der linken Hand rund umher auf den Rand des
Zifferblattes und kehre das ganze Instrument mit der rechten Hand um; es wird durch diese Bewegung das Werk meistens