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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1894 No. 4 —
Stand des Chronometers gegen mittl. Greenwicli-Zeit zur Zeit der Newyorker Beobachtung
— 5 h 28 m 58?8 + 4 h 55 m 56?8 = — 33 m 2?0 (zu früh).
Es sind also, wenn Alles auf Greenwich bezogen wird, die folgenden beiden Standbestünmungen ge
wonnen worden:
1894 Okt. 9.85 Stand — 34 m 33 s 4 (zu früh)
„ „ 33.39 ., —33 2.0 „
Demnach war während dieser Zeit
+ 91?4
der mittlere tägliche Gang
23.54
= + 3.88 (verlierend).
§ 20. Unter den im vorigen Kapitel erwähnten Ursachen, welche Gangveränderungen zur Folge haben
können, sind es hauptsächlich die Unterschiede der Temperatur, deren Wirksamkeit während längerer Zeit
so gesetzmässig vor sich geht, dass die Ermittelung ihres Betrages und dessen spätere rechnerische Berück
sichtigung einen wesentlichen Vortheil verspricht. Da bei einem Chronometer mit einfacher Temperatur-
Kompensation der tägliche Gang als eine stetige Funktion der Temperatur betrachtet werden kann, so ist
nach dem Taylor’schen Lehrsätze die folgende Entwickelung nach steigenden Potenzen der Temperatur
statthaft:
9 = ff 0 + a (*—U + h (¿—U 2 + • • ■
In dieser Formel für den Chronometergang bedeutet g a den Gang für eine bestimmte Temperatur i
und g den Gang für eine beliebige andere Temperatur t. Die Grössen a und b (eigentlich die Differential-
Quotienten des Ganges nach der Temperatur) können für die verliältnissmässig engen Temperaturgrenzen,
welche in Betracht kommen, als konstant betrachtet werden. Für t a pflegt man gewöhnlich die Temperatur
+ 15° Celsius anzunehmen. — Es möge noch bemerkt werden, dass man in der nautischen Praxis keine
Veranlassung hat, die obige Entwickelung nach dem Taylor’schen Lehrsätze weiter als bis zum quadratischen
Gliede fortzusetzen, da die Beiträge, welche innerhalb der Gebrauchs-Temperaturen durch die Glieder höherer
Ordnung geliefert werden, äusserst gering sind und gegenüber den aus zufälligen oder nicht ermittelbaren
Ursachen stammenden Gangveränderungen vollständig vernachlässigt werden können. — Noch eine andere
Erörterung muss an dieser Stelle eingeschaltet werden. Die obige Aufstellung einer Gangformel nacli dem
Taylor’schen Lehrsätze setzt voraus, dass der tägliche Gang eine kontinuirliche Funktion der Temperatur
ist. Dies ist allerdings nur bei den mit der einfachen Temperatur-Kompensation versehenen Chronometern
der Fall; hingegen tritt bei Anwendung einer nicht kontinuirlich wirkenden Hülfs-Kompensation bei den
jenigen Temperaturen, wo die Hülfs-Kompensation eingreift , eine Diskontinuität in der kompensatorischen
Wirkung ein. Aus den im „Archiv der Deutschen Seewarte“ veröffentlichten Untersuchungen über die Er
gebnisse der an jenem Institute ausgeführten Temperatur-Prüfungen von Chronometern geht aber hervor,
dass diese Diskontinuität bei gut gearbeiteten Instrumenten von so geringfügigem Betrage ist, dass die Gänge
der in Bede stehenden Chronometer sich in vollkommen ausreichender Weise durch die obige (iangformel
darstellen lassen. Man wird deshalb in der Praxis für derartig konstruirte Instrumente ohne Bedenken die
gleiche Gangformel in Anwendung bringen können.
§ 21. Die Erfahrung lehrt ferner, dass jedes in gleichbleibender Temperatur aufbewahrte Chrono
meter allmählich Gangveränderungen zeigt, deren Beträge meistens nahezu proportional der Zeit sind, d. h.
wenn zu den Zeiten z x z 2 z s . . .
die Chronometergänge g t g 2 g 3 . .. bestimmt worden sind,
so ist genähert g., — g x + c (z. 2 —z t )
9 s = ffi + e(e a —e¿
— 92 + c(z 3 —z-i) ll - s.w.
wo c eine konstante Zahl ist. Diese Erscheinung wird mit dem Namen „Acceleration des Chronometerganges“
bezeichnet und hat ihren Grund in den mit der Zeit fortschreitenden Veränderungen in der Lagerung der
Massentheilchen der Metalle und in den Veränderungen der Konsistenz des Oeles. Vorzugsweise wirkt die
erstere Ursache mittelbar durch die Elastizität^-Veränderungen der Spirale auf den Gang ein.
§ 22. Fassen wir demnach die Wirkung der Acceleration und Temperatur zusammen, so ergiebt sich
die folgende Gangformel
g = g 0 + a (t-15° C.) + b (t-15° C,) 2 + c (z-z 0 ).