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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1894 No. 4 —
§ 11. Der Wunsch, auch die Gangveränderungen in den extremen Temperaturen auf mechanischem
Wege zu beseitigen, hat zur Konstruktion der sogenannten Hülfs-Kompensationen geführt. Unter ihnen
sind zwei Systeme zu unterscheiden: erstens kontinuirlich wirkende Hülfs-Kompensationen und zweitens
solche Hülfs-Kompensationen, welche erst hei einer bestimmten extremen Temperatur in Wirksamkeit
treten. Zum ersteren System gehört z. B. die von Uhrig in London erfundene „Zügel-Kompensation
welche von der Firma W. G. Ehrlich in Bremerhaven vielfach angewendet wird; das Prinzip des letzteren
Systems ist hei der Konstruktion von „Pooles Widerstands-Supplement“, welches in Deutschland haupt
sächlich durch die Firma W. Bröcking in Hamburg eingeführt worden ist, maassgehend gewesen. — Auf die
viel erörterte Frage, ob die Anwendung einer Hülfs-Kompensation überhaupt zu empfehlen ist, wird später
eingegangen werden.
§ 12. Die Veränderung der Luftfeuchtigkeit ist als eine zweite Ursache der Gangveränderung,
welche sich hauptsächlich bei Benutzung des Chronometers an Bord geltend macht, zu bezeichnen. Durch
ausgedehnte Beobachtungs-Reihen, welche im Jahre 1888 auf der Deutschen Seewarte ausgeführt worden
sind, ist nachgewiesen worden, dass durch Vermehrung der Luftfeuchtigkeit ein Zurückbleiben eintritt,
welches wahrscheinlich in mikroskopischen Feuchtigkeits - Niederschlägen auf Unruhe und Spirale und in
dem hierdurch vermehrten Trägheits-Momente des Regulators seinen Grund hat. Die erwähnten Unter
suchungen haben aber auch gezeigt, dass die Einwirkung hoher Luftfeuchtigkeit nicht nur — wie bei der
Temperatur — eine direkte und augenblickliche ist, sondern dass durch dieselbe auf den Gang des Chrono
meters auch bedeutende Nachwirkungen hervorgebracht werden, welche wahrscheinlich auf die Begünstigung
der Rost- und Schimmelpilz-Bildung durch grosse Luftfeuchtigkeit zurückzuführen sind. Auch zeigte sich,
dass die Empfindlichkeit gegen den direkten Einfluss der Feuchtigkeit im Laufe der Untersuchung bei
sämmtliclien Instrumenten wuchs, so dass die Annahme einer Förderung der Feuchtigkeits -Niederschläge
durch vermehrte Rost- oder Schimmelpilz-Bildung gerechtfertigt erscheinen dürfte. — Aus diesen Unter
suchungen hat sich die Erkenntniss ergeben, dass die Ermittelung der gangändernden Einwirkung der
Feuchtigkeit und deren rechnerische Berücksichtigung bei den Chronometer-Angaben an Bord zu keinen
praktisch brauchbaren Resultaten führen würde, und dass man dahin streben muss, durch Anbringung
von äusseren Schutzvorrichtungen den störenden Einfluss der Feuchtigkeits-Veränderungen und die zer
störende Wirkung feuchter Luft möglichst auszusehliessen. Für diesen Zweck sind die folgenden zwei, dem
Prinzip ihrer Wirksamkeit nach verschiedenen Systeme angewendet worden. Das von Dr. Neumayer ent
worfene Chronometer-Spind bietet für die Instrumente einen Aufstellungsraum, in welchem eine mittlere
Feuchtigkeit von B5 bis 60 °/o, entsprechend der Feuchtigkeit am Lande, konstant erhalten werden kann.
Um diesen Zweck zu erreichen, wird nach Auspumpen der im Spind ursprünglich enthaltenen feuchten See
luft andere Luft, welche vor dem Eintritte in das Spind durch ein System von Chlorcalcium-Röhren ge
trieben und hierdurch entwässert ist, eingelassen, und darauf das Spind möglichst luftdicht verschlossen. —
Als ein zweites System der Schutzvorrichtung gegen die Einwirkung der Feuchtigkeit ist der möglichst luft
dichte Verschluss des Chronometer-Gehäuses in Anwendung gebracht worden. Die Durchführung dieses,
hauptsächlich durch die verdienstvollen Arbeiten von Prof. C. F. W. Peters in Kiel in Aufnahme gekom
menen Prinzips wird von fast allen deutschen Fabrikanten in grösserer oder geringerer Vollkommenheit
angestrebt. Zu diesem Zwecke werden meistens die Uhrwerke mit einer besonderen, innerhalb des eigent
lichen Gehäuses liegenden Schutzkapsel versehen, und ist durch ringförmige Leder- oder Korkdichtung oder
durch Anbringung einer gut schliessenden Stopfbüchse dafür gesorgt, dass die Aussenluft nicht durch das
Rohr für den Aufziehzapfen in das Innere dringt. In einzelnen Fällen ist auch durch Beseitigung aller
durch das Gehäuse hindurchgehenden Schraubengänge, sowie durch sorgfältiges Aufschleifen des Ziffer
blattglases auf einem breiten Metallrande (statt des gewöhnlich angewendeten Verschlusses mit Schrauben
gang) ein noch besserer Luftabschluss bewirkt.
Die besonders durch hohe Luftfeuchtigkeit begünstigte Rostbildung, an welchen Theilen des Werkes
sie auch immer auftreten möge, wirkt im höchsten Grade schädigend auf den Gang ein. An der Spirale
kann schon ein ganz kleiner Rostfleck den täglichen Gang um fünf Sekunden im verlierenden Sinne beein
flussen, und der Fehler wird in dem Maasse zunehmen, als sich der Rost tiefer in das Metall einfrisst.
§ 18. Die Variation des Luftdruckes ist als eine dritte Ursache, durch welche Gangveränderungen
des Chronometers hervorgerufen werden können, anzusehen. Durch die vor einigen Jahren von Dr. Hilfiker