Di'. Willi. Meinardus: Beiträge zur Kenntniss der klimatisclien Verhältnisse etc.
19
Wenn man auf die Beobachtungen der einzelnen Schiffe zurückgeht, so findet man, dass die Südgrenze
des NW-Monsuns und die Nordgrenze des SE-Passats ausserordentlich beweglich sind (vgl. S. 13). Die Be
wegung beider Grenzen ist aber nicht immer gleichsinnig und gleich gross: es wechselt die Breite des Ge
biets. welches beide Windsysteme trennt. Von 135 Schiffen, welche in den Monaten Dezember bis März
die äquatoriale Zone des indischen Ozeans mit meridionalem Kurse durchfuhren, fanden 21 (= 16 °/o) einen
allmählichen (meist durch Süd erfolgenden), 26 (= 19%) einen plötzlichen, sprungweisen Uebergang und
88 (— 65%) veränderliche Winde und Stillen zwischen dem NW-Monsun und SE-Passat.
Diese Beobachtungen, sowie die von Meldrum entworfenen synoptischen Wetterkarten des indischen
Ozeans 1 ), von denen einige von Seiten der Deutschen Seewarte neu bearbeitet und im Atlas für den
indischen Ozean (Tafel 19) wiedergegeben sind, machen es wahrscheinlich, dass im Sommer der südlichen
Hemisphäre verschiedengestaltige Depressionen, au deren Nordseite nordwestliche, und Südseite
südöstliche Winde wehen, in einer breiten Zone längs der Nordgrenze des SE-Passats, namentlich
unter den östlichen Meridianen des Ozeans entstehen und entweder an Ort und Stelle wieder verschwinden
oder eine ost-westliche Bahn einschlagen.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass den drei verschiedenen Arten des Uebergangs vom NW-Monsun
zum SE-Passat (s. o.) drei verschiedene Typen von Depressionsgestalten entsprechen. Ein Schiff wird einen
allmählichen Uebergang beobachten, wenn es eine durch geschlossene Isobaren umgebene oder eine nach
West oder Ost offene Depression seitlich durchschneidet. 2 )
Ein plötzlicher Uebergang, ein Sprung der Windrichtung muss erfolgen, wenn eine sogenannte V-Rinne
des Luftdrucks quer durchschnitten wird. Der Wind springt an der Stelle, wo der „trough“ der Rinne
passirt wird, plötzlich in einer Böe von SE nach NW um. 3 4 )
Bei weitem am häufigsten werden zwischen beiden Windsystemen veränderliche Winde und Stillen an
getroffen. Das deutet auf eine fürchenartig gestreckte Form der Depression hin, kann aber auch durch
andere Formen der Luftdruck-Vertheilung herbeigeführt sein.
Wie die Gestalt wird auch die Intensität solcher Depressionsgebiete sehr verschieden sein.
Gelegentlich, wenn die Bedingungen für eine Konzentration einer atmosphärischen Störung günstig sind,
und der Störungsort unter einer Breite liegt, wo die ablenkende Kraft der Erdrotation gross genug ist, um
eine cyklonale Luftbewegung um den Störungslieerd herbeizuführen, wird es zur Entwicklung einer grossen
Cyklone kommen. Vermuthlich steht die Zahl der Depressionen, welche sich zu Cyklonen entwickeln und
sich wegen ihrer Intensität in den Gesichtskreis des Seefahrers und Meteorologen drängen, zur Gesammt-
zalil der sich überhaupt entwickelnden Depressionen in einem gewissen Verhältniss. Denn die allgemeinen
atmosphärischen Verhältnisse, welche die Ausbildung von Cyklonen begünstigen, werden in einem gewissen
höheren Maasse der Entwicklung weniger intensiver Depressionsgebilde günstig sein.
Die grossen Cyklonen sind verhältnissmässig seltene Erscheinungen. Nach Meldrum’s Untersuchungen’ 1 )
kommen selbst in jedem der cyklonenreichsten Monate jährlich kaum zwei zur Entwicklung, und diese ver
theilen sich auf die weite Fläche des südtropischen indischen Ozeans. Die Cyklonen beeinflussen daher die
langjährigen, klimatischen Mittelwerthe eines einzelnen Ortes der Fläche nur wenig (von maassgebender Be
deutung werden sie manchmal an Orten, welche von ihnen berührt werden, nur für die mittlere oder absolute
Grösse des Maximums oder Minimums einiger klimatischer Elemente). Das Studium ihrer Häufigkeit und
Bahnen hätte deshalb für den Klimatologen nur ein beiläufiges Interesse, wenn nicht eben die erwähnten
Beziehungen zwischen den Cyklonen und den häufigeren, kleineren atmosphärischen Störungen, aus deren
Entstehen, Fortschreiten und Vergehen vermuthlich die mittlere Vertheilung des Luftdrucks und der
Winde u. s. w. resultirt, gemuthmaasst werden dürften. Sind, wie wir angenommen haben, die Cyklonen
nur die extremen und seltenen, aber wegen ihrer Intensität in den Vordergrund des Interesses gerückten
*) Synoptic weatker charts of the Indian Oceau for January, February and March lSßl. Prepared and published
under the auspices of the Meteorological Society of Mauritius.
2 ) Vgl. die schematische Darstellung einer solchen Depression auf Seite 166' des Segelhandbuchs für den indischen
Ozean und im Atlas des indischen Ozeans, Tafel 19, synoptische Wetterkarte vom 7. Februar 1861.
3 ) Vgl. 1!. Abercromby, Weatker, London 1SS7, Seite 254'und auch Seite 144.
4 ) Cyclone-tracks in the South-Indian Ocean, from Information compiled by Dr. Meldrum, published by the anthority
of Meteorological Council. London 1S91.