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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1891 No. 3 —
Die abnorme Erhitzung durch die Sonne ist ferner eine nur schwer zu beseitigende Fehlerquelle; die
Wasser-Temperaturen werden bei andauernd hellem Wetter durchgängig und beträchtlich höher als bei
bedecktem Himmel, in den tropischen Gewässern ist dies recht fühlbar; auf diese Weise erklärt es sich
auch, dass in den südöstlichen Theilen unseres Gebietes, wo nur eine oder die andere Ueberfahrt von China
nach Amerika oder umgekehrt vorlag, unter Umständen das nördlicher gegangene Schiff in gleichem Monat
im Mittel höhere Temperaturen maass als das einige Grad südlicher befindliche. Die Unterschiede können
über 2° betragen; sie steigern sich aber noch beträchtlich, wenn zum Sonnenschein Windstille hinzukommt,
in diesem Falle steigt die Wasser-Temperatur rapid, zumal in den von Zirkulation abgeschlossenen Binnen
gewässern der malaiischen Inselwelt: 38° ist wiederholt gemessen, 35° in einem zuverlässigen Falle.
Die entgegengesetzte Erscheinung einer abnormen Abkühlung kommt auch vor, wenn gleich weniger
häufig. Verursacht wird sie durch anhaltenden Regen, stürmischen kalten Wind, überhaupt durch längere
Zeit andauerndes schlechtes Wetter. Die hierdurch entstehende Abnahme der Temperatur beträgt etwa 2°,
in manchen Fällen aber bis 4 a . So gerieth die Hamburger Bark „Papa“, Kapt. Bannau, um Neujahr 1880/81
in einen Sturm (Teifun?) auf 10° N. B. und 131° 0. L., also östlich der Philippinen. Der über 15 Tage an
dauernde sehr schwere Sturm kühlte das Wasser von 27?5 auf 25?5 ab; das Schiff stand darnach auf etwa
7° B. und 131° L. Interessant ist, wie in den Tagen nach dem Sturm die Temperatur des Wassers stark
und unregelmässig schwankte, zugleich mit dem Auftreten von Stromkabbelungen. Der Sturm hatte das
Schiff mit Winden aus dem westlichen Halbkreise verlassen, es war allem Anschein nach eine 0- bis SO-Trift
entstanden, die nun zusammenstiess mit den hier von NO nach SSW setzenden warmen, d. h. normal
temperirten und vom Sturm verschonten Schichten der rücklaufenden aequatorialen Strömung. Auf diese
Weise wird man sich das wiederholt beobachtete Ab- und Zunehmen der Wasser-Temperatur zu erklären
haben. — Man sieht, wie zahlreich die störenden Einflüsse bei der Eruirung von verlässlichen Mittelwerthen
sind, Einflüsse, die gerade auf eine Bearbeitung nach Eingradfeldern einwirken; man wird also auch nicht
allzugrosse Ansprüche an die absolute Zuverlässigkeit und Uebereinstimmung der in dieser Arbeit gegebenen
Daten mit späterer einmaliger Nachmessung stellen wollen.
Dass die wenigen Angaben, die wir über vertikale Temperatur-Vertheilung im Kuro-shiwo-Gebiet
besitzen, ausgeschlossen worden sind, ist durchaus beabsichtigt; der Verfasser sagte sich, dass er eine
vollständige Untersuchung des Kuro-shiwo zunächst nicht geben könne, besonders wegen nicht genügender
Beobachtungen nach Osten hin. Die Benutzung der wenigen vertikalen Temperaturreihen, die wir für den
Nordpazifischen Ozean haben, liesse sich zudem nicht gut vereinigen mit Schlüssen, die aus Mittelwerthen
zweier Jahrzehnte gezogen werden.
Bevor wir nun an der Hand der Karten einen Ueberblick über die horizontale Temperatur-Vertheilung
in dem Gebiete nach den einzelnen Monaten und im Speziellen über den jährlichen Gang der Temperatur-
Aenderungen geben, erscheint es angemessen, erstens das untermeerische Relief dieser Gewässer zu
beschreiben, denn der Einfluss desselben wird an manchen Stellen recht deutlich vor Augen treten, zweitens
ganz kurz den Standpunkt unserer bisherigen Kenutniss von den Strömungen der ostasiatischen Ge
wässer zu skizziren, und endlich ein paar Worte über die in unserem Gebiete vorherrschenden Winde
anzufügen, da sie es sind, welche, entsprechend unseren heutigen Ansichten über die Ursachen der Meeres
strömungen, die Wasserzirkulationen in erster Linie veranlassen.
Tiefenverhältnisse. Hinsichtlich der vertikalen Gliederung des westlichen Nordpacific können wir auf
zwei vorzügliche Karten in der zweiten Auflage des Berghaus’schen physikalischen Atlasses, Abtheilung
Hydrographie No. IV und X verweisen, wozu man Stiel er’s Handatlas, Blatt No. 58, nehme.
Auf diesen Karten beruht die beigegebene Skizze der Tiefenverhältnisse, (s. Taf. 2.)
Es interessirt uns besonders der Verlauf der 100-Fadenlinie, als der Linie, durch welche man gewöhn
lich die Flachsee von der Tiefsee abgrenzt, die auch überhaupt in geologischer wie hydrographischer Hin
sicht von Wichtigkeit ist. In das Gebiet mit geringerer Wassertiefe als 200 m fällt zunächst die ganze
südliche Chinasee bis 6° B., sowie der Meerbusen von Siam. Die 100-Fadenlinie läuft dann auf etwa 110° L.
direkt nach Nord, bis nach HainaD, und von da in NO-Richtung nach den Pescadöres-Inseln, sodass west
lich davon Flachsee ist; zu derselben gehört demnach der Meerbusen von Tongking, die Hongkong-Gegend,
die Formosastrasse. Letztere ist nur im südöstlichen Theil tiefer als 100 Faden, was zu beachten sein wird.