Adolf Schmidt: Mathematische Entwickelungen etc.
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Formeln voraus, welche bei kugelförmig gedachter Erde gelten. Es ist dies auch deshalb zweckmässig,
weil ich in der Festsetzung der Vorzeichen in zwei Punkten von dem bisherigen, aufGauss zurückgehenden
Gebrauch abweiche. Ich lege nämlich, wie zur Erläuterung und Rechtfertigung kurz bemerkt sein möge,
meinen Rechnungen diejenigen Festsetzungen zu Grunde, welche in der theoretischen Physik, zu welcher
die Lehre vom Erdmagnetismus ja auch gehört, allmählich herrschend und jetzt fast allein üblich geworden
sind. (Man vergleiche hierüber einen Aufsatz von Budde im Februarheft der „Annalen der Physik und
Chemie“ vom Jahre 1887.) Wenn es sich dabei auch nur um eine für die Theorie selbst ganz gleichgültige
Aeusserlichkeit handelt, so ist doch in praktischer Beziehung die Durchführung einer bestimmten, allgemein
angenommenen Bezeichnungsweise gerade in der Lehre vom Potential werthvoll und anzustreben.
Um die Lage eines Punktes in Beziehung auf die Erde zahlenmässig auszudrücken, sei zunächst ein
orthogonales Koordinatensystem, dessen Axen sich im Erdmittelpunkt schneiden, angenommen. Die positive
Halbaxe der '§ sei nach dem Nordpol gerichtet, während diejenige der nj den Aequator im Meridian von
Greenwich, diejenige der £ denselben in dem um 90° weiter nach Osten gelegenen Punkte schneide.
Ein Auge, welches entlang der ersten Axe vom Negativen zum Positiven sieht, hat also, der üblichen
Festsetzung entsprechend, die dritte Halbaxe rechts von der gleichnamigen zweiten. In hiermit überein
stimmender Anordnung werde an jedem Punkte der Erdoberfläche ein Koordinatensystem mit der x-Axe
nach Norden, der y-Axe nach Osten und der z-Axe vertikal nach unten festgelegt. (Aehnlich kann man
an jedem beliebigen Punkte verfahren. Man hat nur an Stelle der Erdoberfläche die zu ihr konzentrische,
durch jenen Punkt gehende Kugelfläche zu setzen.) Die nach den drei bezeichneten Richtungen gebildeten
Komponenten der erdmagnetischen Gesammtkraft T nenne ich X, Y, Z. Bei der zweiten ist das Vorzeichen
dem von Gauss eingeführten entgegengesetzt. Im Zusammenhänge hiermit muss die Deklination, welche
Gauss bei westlicher Abweichung des nördlichen Nadelpols als positiv zählt, hier bei östlicher Abweichung
das positive Vorzeichen erhalten. Die letztere Zählweise empfiehlt sich übrigens auch durch ihre Ueber-
einstimmung mit der gebräuchlichen Azimutzählung.
In den folgenden Betrachtungen gehe ich zunächst von der Annahme aus, dass die erdmagnetische
Kraft von einer Vertheilung gleicher Mengen von freiem positiven und negativen Magnetismus herrühre.
Die unter dieser Annahme erhaltenen Resultate behalten im allgemeinen auch dann ihre Gültigkeit, wenn
jene Kraft ganz oder zum Theil auf elektrischen Strömungen beruht. Nur für solche Raumgebiete, welche
von den Strömen selbst durchflossen werden, sind gewisse Abänderungen nöthig, auf welche ich im nächsten
Abschnitt eingehen werde.
Das Potential einer magnetischen Masse, deren Dichtigkeit im Raumelement dk gleich y ist, besitzt
in einem Punkte, welcher von jenem Element die Entfernung R hat, den Werth
wenn die Integration über den ganzen von Magnetismus erfüllten Raum erstreckt wird. Die in irgend einem
Punkte nach der Richtung eines Linienelements dp wirkende Kraft ist
(2)-
dV
dp ’
also speciell X =
dV
dx ’
Y =
dV
dy’
clV
dz
Sie ist also positiv in der Richtung von höheren zu niederen Potentialwerthen. Gauss bezeichnet den
Werth des in (1) angegebenen Integrals mit —V und erhält daher die in irgend einer Richtung wirkende
Kraft als den in derselben, nicht wie hier als den in der entgegengesetzten Richtung genommenen
Differentialquotienten des Potentials V.
Die Grundlage für die Auswerthung des obigen Integrals bildet nun in jedem Falle die Darstellung
der reziproken Entfernung zweier Punkte in einer die Ausführung der Integration möglichst erleichternden
Form. Die Wahl dieser Form hängt von der Gestalt derjenigen Oberfläche ab, für deren Punkte das
Potential nebst seinen Differentialquotienten in erster Linie zu bestimmen ist, hier also von der Erdober
fläche.*) Wird diese als kugelförmig angesehen, so hat man die bekannte Entwickelung nach Kugelfunk
tionen vorzunehmen. Zu diesem Zwecke führt man die durch die Gleichungen
*) Ist eine regelmässige Vertheilung der wirkenden Masse gegeben, so wird man unter Umständen diese für die Wahl
der Darstellungsform bestimmend sein lassen.