No. 2.
Die Missweisung- des Kompasses in Barth im Jahre 1885.
Beobachtet und berechnet von H. G. W. Skaiweit.
Die grösste Schwierigkeit in der Bestimmung der genauen Missweisung für einen Ort verursacht
bekanntlich der sich fortwährend ändernde Stand einer frei horizontal beweglichen Magnetnadel. Bei
einem Kompasse entzieht sich durch die Ileibung des Hütchens auf der Pinne ein grosser Theil dieser
Aenderungen dem Beobachter; bei gehöriger Achtsamkeit werden aber die nicht mehr wahrgenommenen
Schwankungen geringer seiu, als die beim Anvisiren des Peil-Objektes und Ablesen auf der Rose unvermeid
lichen Fehler. Um eine genügende Missweisung, den mittleren Gang der Magnetnadel, die Amplituden und
grösseren Störungen zu erhalten, wird es im Allgemeinen nöthig sein, aber auch genügen, jede Stunde eine
Beobachtung zu machen. Die Mittel aus allen Werthen für dieselbe Stunde eines Monats werden den
mittleren Gang der Nadel in groben Zügen angeben; das Mittel aus allen Stundenmitteln wird aber die
Missweisung für die Mitte des betreffenden Monats sein. Bildet man die Unterschiede zwischen dieser
Missweisung und den einzelnen Stundenmitteln, so erhält man für denselben Monat die Korrektionen, welche
auf einzelne Beobachtungen anzuwenden wären, um eine genäherte Missweisung zu erhalten. Kennt man
diese Korrektionen für die Beobachtungs-Station oder für einen in der Nähe befindlichen Ort, so wird deren
Anwendung auf zerstreut liegende Beobachtungen eines Monats stets anzuratlien sein.
Ein einzelner Beobachter wird kaum in der Lage sein, an einem im Freien aufgestellten Kompasse für
längere Zeit stündliche Beobachtungen für alle 24 Stunden des Tages anzustellen, um daraus die Missweisung
bezw. die Korrektionen herzuleiten. Man wird sich immer auf wenige Stunden oder auf einzelne Stunden-
Kombinationen beschränken und ermitteln müssen, in wie weit die gefundenen Werthe als zuverlässig zu
betrachten sind, d. h. mit dem 24stündigen Mittel übereinstimmen. Dass mau bei dem Zusammenlegen von
Beobachtungs-Stunden vorzugsweise an diejenigen denken wird, auf welche das Mittel der Missweisung, das
Maximum und Minimum fällt, liegt sehr nahe. Es ist nur der üebelstaud dabei, dass jene Werthe — selbst
im Mittel der einzelnen Monate — auf andere Zeiten, besonders aber auf Brucbtheile von Stunden fallen,
während es wünschenswerth ist, das ganze Jahr hindurch nicht allein stets zu derselben Zeit, sondern auch
an vollen Stunden beobachten zu können. Dann wird aber vorzüglich auf solche Stunden zu sehen sein,
an denen der Stand der Nadel im Mittel von Monat zu Monat gleichmässig ändernde oder überhaupt nur
geringe Differenzen mit der wahren Missweisung oder einer aus bereits auf ihren Werth geprüften Stunden-
Kombination gefundenen bildet, oder mindestens im Jahresmittel sich nicht zu weit davon entfernt.
Um aber diese Termine möglichst täglich wahrnehmen zu können, dürfen sie auch nicht unbequem für
den Beobachter liegen. Die einmal gewählte Methode muss so lange beibehalten werden, bis man nicht
allein von einer besseren überzeugt ist, sondern auch die Unterschiede der Werthe aus der alten und neuen
Bestimmungsart kennt. Sonst findet man ausser einer fehlerhaften Missweisung auch noch ganz falsche
Säkular-Bewegungen.
Hier in Barth ist die Anwendung der Korrektionen zur Ermittelung der Missweisung hauptsächlich
bisher benutzt worden, wobei nicht ausser Acht gelassen wurde, die Beobachtungen so anzustellen, dass sie
sich auch noch anderweitig, besonders zur Verbesserung jener Korrektionen verwenden liessen. Da jedoch
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Archiv 1888. 2.