Dr. Hugo Meyer: Die Niederschlags-Verhältnisse von Deutschland etc.
7
V
„Für den Quotienten - habe ich den Ausdruck „absolute Regenwahrscheinlichkeit“ vorgeschlagen, weil
derselbe sich von dem gewöhnlich als „Regenwahrscheinlichkeit“ bezeichneten Quotienten der Regentage
mit der Gesammtzahl der Tage wesentlich dadurch unterscheidet, dass er von der Wahl der Zeiteinheit
unabhängig ist.“
Das erforderliche Material für die Berechnung dieser Grössen findet sich für längere Jahre in den
tabellarischen Zusammenstellungen der telegraphischen Wetterberichte einer ganzen Anzahl von Ländern,
denn der Inhalt dieser Tabelle bezieht sich, wo nichts anderes hinzugefügt ist, auf den Moment der Beobachtung.
Das Studium der nichtperiodischen Aenderungen der Niederschläge soll vornehmlich zwei Fragen
betreffen. Zunächst die nach einer etwaigen Gesetzmässigkeit in der Aufeinanderfolge zu nasser und zu
trockener Zeiten (Monate, Jahreszeiten). Ich gehe auf diesen Gegenstand in der folgenden Arbeit nicht
ein, weil ein Zeitraum von zehn Jahren hierzu nicht ausreicht, ich möchte aber auf die Schwierigkeit der
Definition des zu nass und des zu trocken hinweisen. Hierfür die Niederschlagshöhe allein maassgebend
sein zu lassen, muss nach dem Obigen als durchaus unzulässig erscheinen, wenigstens dann, wenn man
die Grenzen für den Spielraum der als normal anzusehenden Regenmenge gleich weit vom Mittelwerth
absteckt; denn alsdann bekommt man immer häufiger zu trockene als zu nasse Zeiten. Auch die Nieder
schlagsdichtigkeit liefert kein brauchbares Kriterium. Am besten wird man die Entscheidung nach der
Zahl der Tage mit gegebener Niederschlagsmenge treffen.
Die andere hierher gehörige Frage ist die nach der Veränderlichkeit des Wetters von Tag zu Tag.
Schon A. Qu et eiet sagt in seinem „Climat de la Belgique“ (Cinquième Partie, Annales de l’Observatoire
royal de Bruxelles, T. IX, 1852, p. 26) „il semble donc, qu’il y a une tendance, quand la pluie
ou le beau temps a commencé, à ce qu’il se prolonge pendant plusieurs jours.“ Eine
solche Tendenz zur Erhaltung der herrschenden Wetterlage besteht, wie die Untersuchungen von Kämtz,
Schiaparelli u. A. ergeben haben, thatsächlich. Koppen hat dieselbe am eingehendsten studirt und
die Grundsätze aufgestellt, nach denen die Bearbeitung zu erfolgen hat. (Die Aufeinanderfolge der un
periodischen Witterungs-Erscheinungen nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeits - Rechnung unter
sucht. Repert. für Met. 2, 1872, daselbst findet sich auch die bezügliche Litteratur). Man hat zunächst
die Tage gleichen Charakters (mit oder ohne Niederschlag) nach der Anzahl, in welcher sie ohne Unter
brechung aufeinander folgten, in Gruppen zu ordnen und die Häufigkeit dieser Gruppen in dem betrachteten
Zeitabschnitte zu bestimmen. Durch Division der Anzahl der Gruppen eines Zeitraumes durch die Gesammt
zahl der Tage dieser Gruppen wird dann die mittlere Länge der Perioden gleichen Charakters erhalten,
deren reziproker Werth die beobachtete Veränderlichkeit in der Zeitfolge oder die Veränderlichkeit kurzweg
ist. Da die Anzahl der Perioden gleich ist der Anzahl der Wetterwechsel, so kann man dieselbe auch durch
Zählung dieser letzteren bestimmen und so, wenn es sich nur um die Veränderlichkeit handelt, etwas rascher
zum Ziele kommen. — Die beobachtete Veränderlichkeit muss nun mit derjenigen verglichen werden,
welche die Wahrscheinlichkeits-Rechnung unter der Voraussetzung liefert, dass in der Aufeinanderfolge
der Tage mit und ohne Niederschlag allein der Zufall walte, wenn man zu einem Maasse für die Stärke
der Erhaltungstendenz der Witterung gelangen will. Nehmen wir an, es sei ein Zeitraum von S Tagen
gegeben, unter denen sich E Regentage und T regenfreie Tage befinden; wenn dann R — aS, so ist
T — (1—a) S-, und die Wahrscheinlichkeit, dass auf einen Regentag ein trockener folgt, ist 1—a sowie
die für den entgegengesetzten Wechsel a. Diese Werthe bezeichnen wir als die theoretischen Veränderlich
keiten, welche also für die Herrschaft des reinen Zufalls gelten. — Dass nun thatsächlich eine Tendenz
zur Erhaltung der Wetterlage besteht, zeigt sich darin, dass immer die beobachtete Veränderlichkeit
kleiner ist als die theoretisch berechnete. Die Differenz beider würde die Grösse der Tendenz messen,
falls eine von beiden das ganze Jahr hindurch dieselbe wäre, das ist aber nicht der Fall, denn wenn auch
die untere Grenze beider Null ist, so schwankt doch die obere. Koppen misst daher diese Tendenz durch
den Quotienten aus der Differenz und der grösst möglichen Veränderlichkeit und nennt diesen Quotienten
den Iudex der Tendenz der Erhaltung der Wetterlage.
Die Zusammenstellung der Tage gleichen Charakters nach Perioden von gleicher Länge erlaubt ausser
dem die Veränderlichkeit des Wetters in ihrer Abhängigkeit von der Länge der voraufgegangenen Periode
von Tagen gleicher Beschaffenheit zu bestimmen. Ist nämlich P n die Anzahl der Perioden von n gleich
beschaffenen Tagen und P'„ die Anzahl der Perioden von mehr als n gleichen Tagen desselben Zeitraumes,