No. 2.
Studien über die Bestimmung der Lufttemperatur und des Luftdrucks.
Erste Abhandlung. Untersuchungen über die Bestimmung der Lufttemperatur.
Von Dr. W. Koppen.
Die Temperatur eines Körpers hängt ab von a) dem Wärmeaustausch, den derselbe mit seiner Um
gebung durch Leitung unterhält, b) der Wärme-Zufuhr und Abfuhr durch Ein- und Ausstrahlung, c) der
Erzeugung oder Vernichtung („Bindung“) von Wärme durch Prozesse in dem Körper oder an dessen Ober
fläche. Die menschliche Haut ist stets allen diesen Einflüssen zugleich ausgesetzt; da jeder derselben aber
in sehr komplizirter Weise durch viele Umstände beeinflusst wird, so sind Instrumente, welche dem ganzen
Komplex von Einflüssen in annähernd derselben Weise unterliegen würden, wie der thierische Körper,
kaum möglich, und wird die Aufgabe für die Klimatologie stets darin gesucht werden, die Fragestellung zu
vereinfachen durch Trennung der einzelnen Faktoren. Die letzte unter den oben aufgeführten Kategorien
von Einflüssen (c) wird in der Meteorologie nur angewandt für Feuchtigkeits - Bestimmungen, in der Form
von Verdunstungskälte am Psychrometer und Thaupunkts-Hygrometer; die zweite Kategorie wird durch
die Aktinometer, Pyrheliometer, Bolometer etc. untersucht; die grösste Anwendung in der Meteorologie fin
den aber Bestimmungen, bei welchen thunlichst nur die erste Kategorie von Einflüssen — nur Wärmelei
tung nebst Konvektion — wirksam ist, und zwar zur Bestimmung der Temperatur des Mediums, in welchem
sich das Thermometer befindet, sei es Erdboden, Wasser oder Luft.
Zuvörderst müssen wir uns die Frage beantworten: Was ist Lufttemperatur? Die Antwort lautet ein
fach: die Temperatur der Luft, zunächst derjenigen, welche wir unmittelbar der Prüfung unterwerfen und
weiterhin die Temperatur anderer, grösserer Luftmassen, als deren Repräsentantin die erstere dienen kann.
Jede Definition, in welcher die Lufttemperatur als Stand eines so und so aufgestellten Thermometers bezeichnet
wird, ist als irreführend zu vermeiden. Nur weil man naturgemäss zunächst die stärkste der störenden
Ursachen, also die Sonnenstrahlung, auszuschliessen trachtet, wird die gesuchte wahre Lufttemperatur auch
häufig als „Temperatur im Schatten“ oder als „Schattentemperatur“ bezeichnet. Dagegen ist die „shade
temperature“ von Ferrel ein ganz anderer Begriff, da sie die Temperatur angiebt, welche ein Thermo
meter durch Strahlung der Umgebung, unter Ausschluss der Leitung und der direkten Sonnenstrahlung,
annimmt. Die wahre Lufttemperatur könnte dagegen auch auf anderem Wege, als dem der Einbringung
von Thermometern in die betr. Luftmasse, bestimmt werden, z. B. durch Bestimmung ihrer Dichtigkeit durch
die Wage, bei bekanntem äusseren Druck, oder durch Aequilibrirung der zu prüfenden Luft mit einer Luft
säule von genau bestimmbarer Temperatur. Letzteren Weg hat Joule vorgeschlagen. In einem oben und
unten offenen Rohre, das mit einem Wassermantel umgeben ist, hängt eine Metallspirale mit Spiegel. Jede
Differenz zwischen der Temperatur der Luft im Rohre und jener der Umgebung bringt einen vertikalen
Luftstrom im Rohre hervor, der die Spirale dreht. Bringt man durch Zumischung von kaltem oder warmen
Wasser ein vertikales Gleichgewicht hervor, so zeigt ein im Rohre aufgehängtes Thermometer die genaue
Lufttemperatur an. Im Freien ist diese Methode, des Windes wegen, jedenfalls nicht zu brauchen.
Zwei Fragen sind es, welche bei der Bestimmung der „Lufttemperatur“ in der Meteorologie von
entscheidender Bedeutung sind; 1) wie ertheilt man der Thermometer-Kugel die genaue Temperatur der
dieselbe augenblicklich umspülenden Luft? und 2) die Temperatur welcher Luft wollen wir messen, um das
„Klima“ eines Ortes kennen zu lernen? Beide Fragen hat man früher überwiegend durch allgemeine Be
trachtungen und Wahrscheinlichkeits-Schlüsse zu beantworten gesucht, erst in den letzten Jahren hat man
Archiv 1S87. 2.
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