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Solche Erwägungen wurden schon von Herrn Dr. Vettin*) angestellt und experimentell geprüft.
Nach seiner Methode gelang es auch mir leicht, die vorstehend geschilderten Einzelnheiten im Kleinen nach
zuahmen. Ein Glaskasten (Basis 35X10, Höhe 10cm) oben offen, wird horizontal gestellt, durch einen
aufgelegten Pappdeckel gegen Luftströme geschützt, und an einem schmalen Ende durch Heransetzen eines
mit Eis gefüllten Blechkästchens abgekühlt. Bläst man dann Tabaksrauch hinein, so zeigt sich bald dem
Auge die den ganzen Kasten erfüllende Luft - Zirkulation: am kalten Ende abwärts, unten von da zum
warmem Ende, hier aufwärts und oben zurück nach dem kalten Ende. Nimmt man nun das Eiskästchen
fort und setzt es an das bisher wärmere Ende, so entfernt sich hier der aufsteigende Strom bald von der
schmalen Kastenwand und zieht allmählich nach der andern Seite hinüber. Dabei sind dann zwei ge
sonderte Zirkulationen vorhanden, welche an beiden Kastenenden herab, und an einer Stelle im Innern
zusammen hinaufführen. Diese Stelle zeigt also den aufsteigenden Luftstrom, und zwar durch den Kasten
wandernd. Er erstreckt sich über die ganze Breite des Kastens mit gerader, scharf begrenzter Kante,
sofern der Boden keine Ungleichförmigkeit enthält. Stellt man diesem wandernden aufsteigenden Strom
die Nachbildung eines Gebirges in den Weg, nach Vettin aus einem zusammengeknifften Papierstückchen
hergestellt und einen Theil der Kastenbreite ausfüllend, so hindert dieser Gegenstand die am Boden
strömende Luft, und derjenige Theil des aufsteigenden Stromes, vor welchem das „Gebirge“ liegt, wird von
demselben angezogen und festgehalten. Die übrige Front des aufsteigenden Stromes geht ungehindert am
Gebirge vorbei und eilt dem festgehaltenen Theil voraus.
Was die Einwirkung der Flüsse betrifft, so beschränken sich die hier vorgeführten Fälle auf die warme
Jahreszeit, eine Zeit also, in welcher die Flüsse kälter sind als ihre Umgebung. Demgemäss erzeugt in
solcher Zeit der Fluss über seinem relativ kalten Bette einen absteigenden Luftstrom, und die auf solchem
schmalen Streifen dauernd herabfliessende Luft muss auf beiden Seiten über den wärmeren Ufern wieder
emporsteigen. Also bringt der Fluss durch seine gegen die Umgebung niedrigere Temperatur eine doppelte
Zirkulation hervor, in der Mitte abwärts, an beiden Seiten in halber Stärke aufwärts fliessend. Die Höhe,
bis zu welcher dieser Vorgang in die Atmosphäre hinaufreicht, hängt natürlich ab von der Grösse der
Wasserfläche, sowie von dem Temperatur-Unterschied zwischen Wasser und Land. Wenn nun das Gewitter
als wandernder, aufsteigender Strom gedacht wird, so ist es klar, dass ein solcher im Fortschreiten ge
hindert ist, sobald auf seinem Wege ein Fluss mit dem zugehörigen absteigenden Strom sich findet. Ist
die Wirkung des Flusses stärker, d. h. reicht sie höher hinauf, als der aufsteigende Strom des Gewitters,
so findet dieses am Flussufer die Grenze seines Fortschreitens. Reicht aber das Gewitter höher hinauf als
der absteigende Strom, so wird eben der obere Theil des Gewitters sich weiterbewegen und den Fluss über
schreiten. Hierbei summirt sich dann der aufsteigende Strom des Gewitters mit den schwächeren auf
steigenden Strömen an beiden Flussufern; das Gewitter wird aus der Höhe nach dem jenseitigen Ufer
gewissermaassen herabgezogen, weil es dort schon einen aufsteigenden Strom findet, und so tritt ein Zeit
punkt ein, in welchem an beiden Ufern gleichzeitig die aufsteigenden Ströme bis zur Gewitterbildung ver
stärkt sind.
Auch dies kann leicht experimentell nachgeahmt werden. Der oben erwähnte Glaskasten wird mit seinen
Enden auf passende Klötze gestellt, so dass die Bodenplatte im Uebrigen nach unten hin frei liegt. Wenn
man alsdann von untenher einen Streifen des Bodens (parallel den schmalen Endplatten) durch Reiben mit
einem Eisstückchen abkühlt, so wirkt dieser Streifen ähnlich wie ein Fluss. Bläst man Rauch hinein, so
zeigt sich alsbald der absteigende Strom über dem kalten Streifen; bei genauerer Betrachtung erscheinen
zwei rotirende Schläuche mit horizontalen Axen und entgegengesetzter Drehungsrichtung, welche so neben
einander liegen, dass ihre abwärts gerichteten Seiten Zusammenfällen. Lässt man gegen dieses am gleichen
Ort verharrende Gebilde von einer Schmalseite her einen aufsteigenden Luftstrom wandern, wie vorher
beschrieben, so nähert sich dieser allmählich dem kalten Streifen, scheint kurz vor demselben anzuhalten,
und gleich darauf sieht man ihn auch schon auf dessen anderer Seite erscheinen und langsam fortschreiten.**)
Die seitliche Verlängerung der Gewitterfront nach der Ueherwindung von Hindernissen, wie sie in den
oben geschilderten Fällen oftmals vorkommt, kann wohl zwanglos so gedeutet werden, dass der über einem
*) Vettin, Meteorologische Zeitschrift, II, 172 (Mai-Heft 1885).
**) Als ich Herrn Dr. Vettin das Vorstehende mittheilte, erfuhr ich, dass er diesen Versuch auch bereits ausgeführt,
aber nicht veröffentlicht habe.