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führung gekommen; die Wände sind mit Grundpapier und einfachen Tapeten bekleidet. Das Mobiliar ist
einfach, nur die Bibliothek und die Direktorialräume sind mit einiger Rücksicht auf Aussehen eingerichtet.
Das Gebäude ist mit Wasserleitung versehen, die an die städtische Leitung angeschlossen ist. Das
Hauptreservoir auf dem Dachboden liegt so hoch, dass es zuweilen wegen nicht ausreichenden Druckes aus
der städtischen Leitung nicht gespeist werden kann, weshalb die tieferliegenden Neben-Reservoire direkte
Anschlüsse an die Steigleitung erhalten haben.
Die Abwässer werden durch eine Thonrohr-Leitung von 10 bis 30 cm Durchmesser der städtischen
Sielleitung zugeführt.
Gasleitung besitzt das Gebäude in allen Theilen, theils zum Zwecke der Beleuchtung der Diensträume
und Observatorien, theils zum Betriebe einer Otto’scben Gasmaschine, die für die Druckerei und die Expe
rimente mit dem Combe’scben Apparate in Anspruch genommen wird. Der Lichthof wird durch einen
Siemens’schen Regenerativ-Brenner erleuchtet.
Das Gebäude liegt von allen grossen Verkehrsstrassen, die für Beobachtungen störend sein würden,
entfernt und ist ausserdem von einem Garten umgehen. In dem vorderen (südlichen) Theile des letzteren,
dem Haupteingange gegenüber, ist unterirdisch ein Observatorium zur Kompass-Prüfung und für magnetische
Untersuchungen angelegt. Der Fussboden desselben liegt etwa 5 m unter Terrain; die Grundrissform ist
kreisrund, mit einem Durchmesser von 7 m (Tafel 19). Das Gebäude sollte bei den darin anzustellenden
feinen magnetischen Untersuchungen vollkommen indifferent sein und musste daher aus durchaus eisenfreien
Materialien hergestellt werden. Alle darauf hin untersuchten Ziegelsteine, Zemente, Konkrete und andere
Materialien zeigten aber eine Einwirkung auf den Magnet und es wurde zuletzt ein sächsischer Sandstein
gewählt, der alle Proben bestanden hatte. Aus demselben bestehen die Umfassungswände, die Pfeiler und
Verstärkungen, das abschliessende Kuppel-Gewölbe, der Fussboden und die Postamente für den magnetischen
Theodolit, den Normal-Kompass und die Kollimatoren, sowie der Tambour, der das Oberlicht trägt. Letzteres
besteht — unter Vermeidung aller Metalltheile — aus einer doppelten Glasbedeckung, wovon die obere,
äussere, horizontal liegt, die untere, innere, unter einem Winkel gegen den Horizont geneigt ist, um das
Ablaufen des Kondensationswassers zu erleichtern. Diese Anordnung ist auf der Zeichnung Tafel 19 nichi
dargestellt, sondern eine konvex gewölbte grosse Scheibe oben. Erst nach Anfertigung der Zeichnung wurde
die beschriebene Einrichtung getroffen.
Von dem Observatorium aus gehen — auf dessen Mittelpunkt gerichtet — 3 etwa 60 cm im Durch
messer haltende runde Mirenkanäle derart durch den Hügel hindurch, dass man durch diese Röhren die
Spitzen dreier weit entfernter Kirchthürme sieht. Die Mirenkanäle sind innen mit hölzernen Klappen zum
Oeffnen verschlossen und haben aussen in der Böschung der Elbhöhe einen Deckel, mit welchem dieselben
nach aussen abgeschlossen werden können. Zugänglich ist das Kompass-Observatorium vom Hauptgebäude
aus durch einen tunnelartigen, etwa 20 m langen und von oben beleuchteten Gang (L L), zu dem man auf
der Kellertreppe links vom Haupteingange hinuntersteigt. Die nähere Beschreibung dieses Beobachtungs
raumes wird da, wo von den wissenschaftlichen Einrichtungen die Rede sein wird, gegeben werden.
Der hintere Theil des Seewarte-Gartens schliesst ein überwölbtes elliptisches Hochreservoir der stätischen
Wasserleitung ein; auf diesem ist eine Anzahl von Instrumenten zu meteorologischen Beobachtungen im
Freien aufgestellt, namentlich verschiedene Thermometer — selbstregistrirend und für Maxima- und Minima-
Beobachtungen — und einige Regenmesser. In diesem Theile des Gartens (siehe 2 in Tafel 2) befindet
sich ferner noch ein aus Holz und Kupfer hergestellter achteckiger Pavillon (siehe Tafel 23 und 24), für
magnetische Untersuchungen anderer Art, als sie im Kompass-Observatorium angestellt werden, mit allen
Erfordernissen ausgerüstet.
Die Bauarbeiten wurden im Mai 1879 in Angriff genommen; im Laufe des Jahres 1880 wurde das
Gebäude äusserlich fertig gestellt und unter Dach gebracht; im Frühjahr und Sommer 1881 der Ausbau
und die Einrichtung vollendet. Anfang August erfolgte die Uebersiedelung der Abtheilung III, der die übrigen
bald nachfolgten. Am 14. September fand die feierliche Einweihung des Gebäudes durch Se. Majestät den
Deutschen Kaiser in höchsteigener Person statt, gleichzeitig mit der Eröffnung einer Ausstellung maritimer
Gegenstände, welche im Laufe des September in den Parterre-Räumen des neuen Gebäudes veranstaltet
wurde. Aber erst Anfang Oktober 1881 war die Anstalt in allen wesentlichen Theilen eingerichtet und in
Betrieb gesetzt, nachdem noch die Telegraphen- und Telephon-Verbindung mit dem Kaiserlichen Haupt
postamte und die Haustelegraphen und Signale fertig gestellt waren.