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Die Expedition der „Gazelle“ aber klärt uns über die Verhältnisse auf den Patagonischen Gründen
auf. 1 ) Kapt. z. See Freiherr von Schleinitz lothete nämlich (im Februar 1876):
N0.
S-Br.
W-Lg.
Temp
Oberfl.
eratur
am Boden
Grund
mit-
Bemerkung
1.
2.
47° 2'
43 56
63° 30'
60 52
12.9
13.6
O
8.4
6.7
m
115
110
in 55 m Tiefe Temp. = 8.8°
„ 55 „ „ „ — 8.5°
3.
4.
36 48
35 0
55 35
54 25
19.3
22.0
17.8
17.4
46
46
1 Am Eingänge des Laplata-Trichters.
Freiherr von Schleinitz bemerkt dazu: „Die niedrigen Temperaturen sowohl, wie die niedrigen spezifischen
Gewichte (zwischen 1.02596 und 1.02610 bei 1. und 2.) indiziren .ebenfalls (wie die Stromversetzungen, vgl.
oben S. 12) den kalten südlichen Strom, welcher wahrscheinlich aus dem Grossen Ozean kommt, um Kap
Horn herum fliessend. Das spezifische Gewicht (I.02612) der nächsten weiter nördlich genommenen Beob
achtung N0. 3. lässt das Wasser dort als von gleichem Ursprünge erscheinen, wie dasjenige bei 1. und 2.,
was indess durch die höhere Temperatur namentlich am Boden nicht bestätigt wird. Man hätte sich über
diesen Widerspruch zu wundern, wenn die geographische Position der Beobachtung nicht Aufklärung
gäbe. Das Wasser muss nach der Temperatur einer atlantischen Tropenströmung angehören, und
das geringe spezifische Gewicht findet seine Erklärung darin, dass das Laplata-Wasser sich hier mit dem
jener Strömung mischt. Den tropischen Ursprung der Strömung macht ein Vergleich des Tages-Durch
schnitts der Lufttemperaturen mit demjenigen der Wassertemperaturen noch wahrscheinlicher, indem der
jenige der ersteren am 14. Februar auf 39°S-Br. um 2.s° C. kälter ist als der der letzteren.“ — „Es
träfen also darnach in der Gegend des Kap Corrientes drei Wassermassen verschiedenen Charakters zu
sammen, eine kalte (wahrscheinlich aus dem Grossen Ozean herrührend), eine atlantisch-tropische und
das Flusswasser des Laplata.“
Wie man sieht, hat Freiherr von Schleinitz also schon damals die einzig richtige Erklärung der Vor
gefundenen Phänomene gegeben. Zugleich beseitigt derselbe Beobachter die letzten Bedenken, die etwa
gegen die antarktische Herkunft auch des warmen Wassers auf der Patagonischen Bank noch erhoben
werden könnten. Die Erwärmung ist nur eine durchaus oberflächliche, überdies ja auch nur in der warmen
Jahreszeit eine erhebliche gegenüber dem kalten Falkland-Strom östlich von der Bank. Es sind aber auch
gerade über der Patagonischen Bank die Bedingungen für eine lokal starke Erwärmung gegeben und zwar
in den abnormen klimatischen Verhältnissen. Allgemein bekannt ist der gewaltige Kontrast zwischen dem
Witterungscharakter der Westküste und Ostküste Patagoniens: jene das ganze Jahr hindurch von regen
schwangeren Wolken verhüllt, eine der regenreichsten Küsten der Welt — die Ostküste dagegen eines der
sonnigsten und trockensten Litorale. „An dieser Küste,“ heisst es im South American Pilot (I, 1874, p. 301)
„zwischen den Breiten von 40° und 50° S herrscht eine grosse Einförmigkeit der Witterung, indem jene
zehn Breitengrade eine viel geringere Verschiedenheit in den Temperaturen verursachen, als man ohne
Weiteres annehmen könnte. Die Winde sind gleichfalls regelmässiger als am Laplata, und da die jährliche
Regenmenge unvergleichlich viel geringer ist als dort, ist das Klima hier mindestens ebenso warm wie das
von Buenos Ayres, und in so hohem Grade trocken, dass das ganze Land, ausser entlang den Flüssen,
dürr und steril ist. In einigen Häfen der Küste (San Blas,*the Oven, San Antonio u. a.) ist ein Schiff
geradezu ruinirt, wenn es mehrere Sommermonate daselbst still liegt; selbst ein Aufenthalt von Wochen
ist verderblich, so mächtig ist die Kraft der Sonne, die nur selten von Wolken verdeckt, den ganzen Tag
auf das Holzwerk des Schiffes herniederbrennt, das selbst durch Thau nicht angefeuchtet wird. Im Winter
kommen wohl scharfe Fröste vor, aber nur Nachts, niemals setzen sie sich in den Tag hinein fort.“
Diese mächtige Insolationswirkung dürfte im Wesentlichen wohl ausreichen, die so auffällige Temperatur
erhöhung in den Oberflächenschichten dieser antarktischen Gewässer zu erzeugen. Indess darf auch der
folgende Umstand hier Beachtung beanspruchen, auf den bereits oben einmal (S. 3 und 4) hingewiesen
worden ist, nämlich die Thatsache, dass unter Kap Horn wie überhaupt in unmittelbarer Nähe des Magellan-
Archipels sich wärmeres Wasser findet als weiter in See. Mühry hatte diese Verhältnisse benutzt, um
*) Annalen der Hydrographie 1876, S. 367.