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Hafen-Telegrammen und Wetterkarten der Deutschen Seewarte“ auf diesen Punkt für Nord Westeuropa aus
drücklich aufmerksam gemacht.
Dass die Wetterlage nicht etwa beim Fortschreiten der Depression nach und nach günstig für die
eine oder andere Zugstrasse umgestaltet zu werden braucht, dafür sprechen die angefügten Karten, welche
die mittlere Vertheilung des Luftdrucks 24 Stunden vorher, ehe die Depression in die Zugstrasse einlenkte,
darstellen. Alle diese Karten zeigen sehr bestimmt den Typus der Druck vertheilung, welche jeder Zug
strasse zukommt, so dass kein Zweifel übrig bleibt, dass schon die ursprüngliche Wetterlage, wenigstens in
Bezug auf den Luftdruck, durchschnittlich alle Bedingungen erfüllt, dass eine Depression eine ganz bestimmte
Zugstrasse einschlägt und verfolgt. Wird von den Depressionen die Zugstrasse geändert, so erfolgt auch mit
diesem Wechsel eine für die einzelnen Gebiete mehr oder weniger entschiedene Aenderung der Witterungs-
Verhältnisse, zumal dann, wenn die Zugstrassen verschiedene Richtung haben, z. B. wenn die Depressionen
eine nach Nordosten gerichtete Zugstrasse verlassen und in eine nach Südosten führende einbiegen. Eine
Vergleichung unserer Wetterkarten wird dieses sofort bestätigen.
XVIII. Fortpflanzung der Depressionen bei verschiedener Vertheilung des Luftdrucks und der Temperatur.
Nicht immer, ja in den wenigsten Fällen, sind Luftdruck und Temperatur in der Umgebung der
Depressionen in demselben Sinne vertheilt, sondern die Art der Vertheilung dieser Elemente ist sehr vielen
unregelmässigen Schwankungen unterworfen, und diesem Umstande ist es hauptsächlich zuzuschreiben, dass
die Fortpflanzung und Umwandlung der Depressionen und hiermit auch die Witterungs-Phänomene unserer
Gegenden, so ausserordentliche Mannigfaltigkeit aufweisen, so dass über die allgemeine Gültigkeit unseres
Satzes bei flüchtiger Betrachtung Zweifel aufkommen können, um so mehr, als auch noch die Temperatur-
Vertheilung am Erdboden für diejenigen der höheren Regionen nicht ganz maassgebend ist. Nichtsdesto
weniger lässt sich die Richtigkeit unseres Satzes auch für die Einzelfälle aufrecht erhalten; es kommt hier
nur darauf an, dass alle Umstände klar erkannt und gehörig gewürdigt werden, wobei allerdings die
vertikale Temperatur-Vertheilung eine wichtige Rolle spielt. Berücksichtigen wir in letzterer Beziehung
aber die normalen Verhältnisse, so können folgende Sätze als allgemein gültig angesehen werden: 1) Ist
die Vertheilung des Luftdrucks und der Temperatur in der Umgebung der Depressionen nach demselben
Sinne gerichtet, so erfolgt, wie schon oben dargethan, die Fortpflanzung der Depression nahezu senkrecht
zum Druck- und Temperatur-Gradienten. 2) Ist Luftdruck und Temperatur in der Umgebung der Depression
im entgegengesetzten Sinne vertheilt und ziemlich gleichwerthig, so wird die Bewegung der Depression
gehemmt, oder ganz aufgehoben (stationäre Depressionen); dabei nimmt die Depression eine längliche,
mehr oder weniger verzerrte Form an, deren Längaxe senkrecht zum Luftdruck- resp. Temperatur-
Gradienten steht, und an deren Enden sich häufig Theilminima loslösen, die dann der Luftströmung
folgen, welche der Luftsäule über der entsprechenden Gegend eigen ist. 8) Ist bei derselben Vertheilung
wie vorhin nach der einen Seite der Depression entweder der Luftdruck- oder der Temperatur-Gradient
überwiegend, so wird die Richtung der Ortsbewegung durch das vorwaltende Element bestimmt. 4) Sind
Luftdruck und Temperatur zwar nicht entgegengesetzt, aber auch nicht in demselben Sinne um die Depres
sion vertheilt, so wird von der Depression eine resultirende Richtung eingeschlagen, welche der mächtiger
wirkenden Ursache mehr entspricht.
XIX. Anwendung des Satzes auf die Wetterprognose, Erweiterung des Gebietes für die täglichen synoptischen
Karten. Vermehrung der Stationen in niederen Breiten. Wolkenstudien.
Aus allen diesen Erörterungen folgt die hohe Wichtigkeit unseres Satzes in seiner Anwendung bei
der Wetterprognose. Soll aber unser Urtheil ein richtiges sein, so ist es unumgänglich nothwendig, auf
einem möglichst grossen Gebiete in unserer Umgebung die Luftdruck- und Temperatur-Vertheilung zu
kennen, insbesondere aber die Uebersicht über die Wetterlage nach Westen hin möglichst zu erweitern.
Um z. B. entscheiden zu können, welche Bahn eine im Westen, etwa bei den britischen Inseln, auftauchende
Depression einschlagen und wie sich das Wetter für unsere Gegenden einrichten wird, ist es unbedingt
nothwendig, Luftdruck- und Temperatur-Vertheilung auch auf dem Atlantischen Ozean, wenigstens auf
seiner östlichen Seite zu kennen. Vor allem ist das Hauptaugenmerk zu richten auf das Verhalten der