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Donner kaum einmal im Jahre beobachtet werde, mit der Wirklichkeit nicht übereinstimme, dass vielmehr
auch in den arktischen Regionen Gewitter Vorkommen. Die Sammlung von Baer’s würde sich an der
Hand der Berichte der zahlreichen neueren Polarexpeditionen wohl unschwer noch vermehren lassen, doch
mag dies, als nicht im Plan dieser Untersuchung liegend, hier unterbleiben. Es ist jedenfalls wahrscheinlich,
dass es selbst in den höheren arktischen Regionen, wenn auch nur sehr selten, zu einem Gewitter kommen
kann. Mir selbst theilte der bekannte norwegische Fangschiffer Johanns en mit, dass er am 28. August 1878
ein Gewitter mit Blitz und Donner im Bellsund (78° n. Br.) auf Westspitzbergen erlebt habe und die mehrere
Tage hintereinander an der Westküste von Nowaja Semlja stattfindenden Gewitter im Juli 1870 sind bereits
in die Literatur übergegangen. 1 )
Die Resultate der Arago’sehen Untersuchungen sind in alle Lehrbücher der Meteorologie aufge
nommen und haben sich diejenigen dieser Ergebnisse, deren Irrthümlichkeit seitdem konstatirt worden ist,
mit einer bemerkenswerthen Zähigkeit in den Lehrbüchern erhalten. Noch in den rezentesten derselben 2 )
wird mit Bestimmtheit die gänzliche Abwesenheit von Gewittern in den grossen afrikanischen und asiati
schen Wüsten und an den Küsten von Niederperu ausgesprochen, noch immer gilt Lima, wie überhaupt
Niederperu als ein Ort, dessen Bewohner, welche noch nicht gereist sind, auch keine Vorstellung von einem
Gewitter haben. 3 ) In Lima ereignete sich aber am 31. Dezember 1877 ein heftiges Gewitter, wie schon
früher einmal, im Jahre 1804 4 ), so dass also die Behauptung, dass es hier niemals donnere, hinfällig
wird. Noch viel mehr gilt dies von den grossen Wüsten der alten Welt. Die Reiseberichte von Roh lfs 5 * ), N acli-
tigal fi ), Duveyrier 7 ), Palgrave 8 ) etc. beweisen das Vorkommen von Gewittern in der Sahara und in
Arabien zur Genüge, so dass es den Anschein gewinnt, als gebe es auf der Erde keinen Punkt, wo es im
Laufe der Jahre nicht einmal gewittern könne.
§ 9. Die Gewitter des Indischen Ozeans.
Obwohl die Frage nach dem Verhältniss zwischen eigentlichen Gewittern und dem sog. Wetterleuchten
noch nicht sicher entschieden ist, sondern vielmehr von einigen das Wetterleuchten in manchen Fällen
nicht als der Wiederschein eines unter dem Horizont sich befindenden Gewitters, sondern als ein Ausgleich
der Elektrizitäten in den höheren Schichten der Atmosphäre angesprochen wird 9 ), so ist doch im Folgenden
eine Scheidung der Fälle mit Gewittern von denen, in welchen nur Wetterleuchten beobachtet wurde, nicht
vorgenommen worden, hauptsächlich schon deshalb nicht, weil die Beobachtungsjournale selbst häufig dar
über in Zweifel Hessen, mit welcher von beiden Erscheinungen man es zu thun habe und weil es sich bei
dieser Untersuchung besonders um die Konstatirung elektrischer Erscheinungen überhaupt handeln sollte.
Die folgende Tabelle enthält die Vertheilung der Tage mit Gewittern oder Wetterleuchten
in Prozenten der Gesammtzahl der Beobachtungstage zwischen 80°—100° ö. L. und 20° n. Br. bis 40° s. Br.,
für welches Gebiet die Beobachtungen am vollständigsten und zahlreichsten vorhanden sind. Es wurde
diese, Zählung nach Tagen gewählt, um die Resultate mit den Landbeobachtungen vergleichbar zu machen
und um dieselbe mit der Zählungsweise der Regenvorkommnisse in Uebereinstimmung zu bringen.
') Pet ermann’s Geogr. Mittheilungen, 1871, pag. 102.
2 ) Vergl. unter andern: Klöden, Handbuch der Erdkunde, 1873, I., pag. 784. Mohn, Lehrbuch der Meteorologie,
1879, pag. 308.
3 ) Ar ago, IV. Band, pag. 130.
4 ) Zeitscbr. f. Met., 1878, pag. 128, und Nature, 1878, 7. März.
5 ) Zeitschr. f. Met., 1877, pag. 16: Lybische Wüste, Station Regenfeld.
,; ) Vergl. pag. 34.
7 ) Geogr. Mittheilungen, 1860, pag. 56: Beobachtungen zu Ghardaga, 32° n. Br.
s ) Ebendaselbst, 1866, pag. 194: Beobachtungen in Nedschd.
9 ) Vergl. Zeitschr. f. Met., 1869, pag. 545, 1870, pag. 245. Ferner: H. Klein, Das Gewitter, Graz 1871, pag. 109;
Heis, Wochenschrift für Astronomie etc., 1868, pag. 6.