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N i e d r i g w a s s e r in der südlichen Ostsee
4.2 Niedrigwasser bei ablandigem
Sturm im Windfeld eines vor
beiziehenden Tiefdruckgebiets
Die Norwegische See, die Nordsee, Skandinavien
und die Ostsee liegen in einer Zone vorherr
schend westlicher Winde, die regelmäßig von ost
wärts ziehenden Störungen, meistens aktiven
Tiefdruckgebieten atlantischen Ursprungs mit
ihren Frontsystemen, überquert wird. Bevor ein
solches Tiefdruckgebiet das Ostseegebiet erreicht,
überwiegen Winde mit stark südlicher Kompo
nente, die jedoch nach Durchzug der Front meis
tens drehen. An den südlichen Küsten der Nord-
und Ostsee herrschen vor Ankunft eines Tief
druckgebiets ablandige Winde. Tiefdruckgebiete
kommen in diesem Gebiet regelmäßig vor.
Kleinere, rasch ziehende Tiefdruckgebiete mittle
rer Stärke, die häufig mit einem Frontensystem
einhergehen, verursachen zwar stürmische
Winde, wirken aber nicht lange genug auf die
Meeresoberfläche ein, um die Wasserstände an
der Küste nachhaltig zu beeinflussen.
Im Gegensatz dazu verursachen gut entwickelte
Tiefdruckgebiete, die mit ihren Frontsystemen
die Küste überqueren, bei Annäherung der Fron
ten rückdrehende Winde in Sturmstärke und
nach ihrem Abzug rechtdrehende Winde. Diese
Situation führt in der Regel zu Wasserstands
schwankungen. Die Pegelstände sinken zunächst,
bis ein ausgeprägtes Minimum erreicht ist, um
dann nach Rechtdrehen des Windes wieder
anzusteigen. Stürmischer Wind hinter den Fron
ten führt zu einem Wasserstandsanstieg, manch
mal weit über den anfangs verzeichneten Wert
hinaus. Diese Situation ist in den Pegelkurven in
Abb. 5.1 b, 5.6 b und 5.18 b dargestellt.
Manche ostwärts ziehenden Tiefdruckgebiete
verlangsamen sich unter weiterer Verstärkung,
wenn sie Skandinavien erreicht haben. Der
Druckgradient wird sehr steil, und der stürmische
Wind nimmt weiter zu, bis er schließlich Orkan
stärke erreicht. Ablandiger Wind an der südlichen
Ostseeküste führt zu sinkenden Pegeln, bis der
Wind entweder abflaut oder rechtdreht. Eine typi
sche Reaktion der Ostsee auf diese Art der Wind
einwirkung sind allmählich sinkende Wasser
stände an großen Teilen der Küste, oft gefolgt
von einem plötzlichen starken Pegelabfall wäh
rend der heftigsten Phase des Sturms, und
schließlich ein lang anhaltendes Minimum (flacher
Abschnitt der Pegelkurve), so lange der Orkan
aus derselben Richtung kommt. Wenn der Wind
schließlich dreht, beginnen die Pegel schneller
oder langsamer zu steigen (oft von küstenparalle
lem oder auflandigem Wind unterstützt). Die Pegel
kurven in Abb. 5.5 b, 5.9 b, 5.12 b und 5.19 b
zeigen Ereignisse im Zusammenhang mit solchen
atmosphärischen Bedingungen.
4.3 Hochdruckgebiet als Ursache
niedriger Wasserstände
Eine andere Form des Niedrigwassers tritt dann
auf, wenn ein starkes ortsfestes Hochdruckgebiet
über Skandinavien und Nordwestrussland liegt.
Unter solchen Luftdruckbedingungen tragen zwei
Faktoren zum Sinken der Wasserstände bei: ein
Faktor ist der sehr hohe hydrostatische Druck in
dem kräftigen Hoch, der andere ist das an seinem
südwestlichen Rand entstehende Windsystem.
Während im nördlichsten Teil der Ostsee leichte
bis mäßige Winde mit stark nördlicher Kompo
nente aufkommen, dreht der Wind weiter südlich
auf O-SO und frischt auf, wobei stellenweise
Sturmstärke erreicht wird. Das ist in der Regel auf
einen steiler werdenden Druckgradienten zurück
zuführen infolge mehrerer von Westeuropa kom
mender Tiefdruckgebiete, die über das Gebiet
hinwegziehen. Im westlichsten Teil der Ostsee, in
den Sunden sowie im südöstlichen Teil der Nord
see herrschen SO-S-Winde vor, weil hier der Luft
druck niedriger als über Skandinavien ist. Bei ver
gleichbaren Luftdruckkonfigurationen, die lange
genug in dem Gebiet stabil sind - eine oder zwei
Wochen oder noch länger - wird das Wasser
nicht nur von den Küsten weggeschoben, son
dern durch die Sunde aus dem Becken hinausge
drängt. Unter solchen meteorologischen Bedin
gungen zeigen sämtliche Pegelstationen an der
Ostsee niedrige Wasserstände an. Extreme Nied-
rigwasser unter Hochdruckeinfluss sind jedoch
sehr selten. Ein Extremereignis wurde vor dem in
der vorliegenden Monographie behandelten Zeit
raum verzeichnet, und zwar im Februar 1954.
Zunächst herrschte vom 7. bis 14. Februar acht
Tage lang eine mäßige bis starke südöstliche
Luftströmung über Mitteleuropa und der Ostsee.
Dann, vom 15. bis 22. Februar, drängte das Wind
system eines Hochdruckgebiets über Skandina
vien weitere acht Tage lang das Oberflächenwas
ser von den östlichen und südlichen Ostseeküs
ten weg. Daraufhin fielen die Wasserstände im
mittleren und westlichen Teil der südlichen Ost
seeküste vor dem 23. Februar auf ca. 440 cm
oder darunter. Am 23. Februar wurde in Warne
münde ein Tiefststand von 427 cm gemessen
und einen Tag später 418 cm in Kotobrzeg. Dies
ist einer der seltenen Fälle sturm bedingter Nied-
rigwasser, bei denen im östlichen Teil der Küste