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N i e d r i g w a s s e r in der südlichen Ostsee
3 Jahreszeitliche und
Langzeitvariabilität
Die Langzeitvariabilität der Niedrigwasserereig-
nisse und die jährliche Häufigkeitsverteilung lie
fern wichtige Informationen über dieses hydro
logische Ereignis.
3.1 Innerjährliche Schwankungen
Abb. 3.1 a zeigt das tiefste gemessene Niedrig
wasser in jedem Kalenderjahr, die jährlichen Mit
telwerte und Mediane der Niedrigwasser sowie
die Werte, die 24, 72 bzw. 240 fortlaufende Stun
den lang unterschritten wurden. Im Allgemeinen
werden während eines Niedrigwasserereignisses
von West nach Ost ansteigende Pegelstände
beobachtet, mit Ausnahme des Pegels Sassnitz.
Der Unterschied in Sassnitz im Vergleich zu ande
ren Pegeln, die an einem geraden Küstenabschnitt
oder in einer Bucht liegen, ist auf die Lage dieses
Pegels auf einer Landzunge zurückzuführen.
Der mittlere Wasserstand ist an allen Pegeln um
15-17 cm pro Jahrhundert gestiegen (siehe
Tabelle 3.1 a), wieder mit Ausnahme von Sassnitz,
wo nur ca. 6-7 cm Anstieg pro Jahrhundert beob
achtet wurden. Diese Unterschiede zwischen den
Pegelständen haben mehrere Ursachen, deren
wichtigste der weltweite Meeresspiegelanstieg
und lokale Landhebungen oder -Senkungen sind.
Generell ist zu beobachten, dass im Norden eine
postglaziale Landhebung nach Abschmelzen des
Eispanzers stattfindet, während sich weiter süd
lich das Land senkt. Diese unterschiedlichen Pro
zesse können möglicherweise erklären, warum
der Meeresspiegelanstieg in Sassnitz geringer ist
als an den anderen Pegeln. Die beobachtete
Veränderlichkeit des mittleren Wasserstands von
Jahr zu Jahr ist hauptsächlich auf die herrschen
den Windverhältnisse zurückzuführen, die den
Wasseraustausch mit der Nordsee beeinflussen
sowie auf schwankende Niederschläge und die
Abflussmengen der Flüsse.
Bei steigendem mittlerem Wasserstand würde
man logischerweise erwarten, dass auch die
Niedrigwasserstände ansteigen. Die 240-Stun-
den-Werte sind in der Tat im Laufe der Zeit
gestiegen, wobei der Korrelationskoeffizient mit
dem mittleren Wasserstand von 0,57 im Westen
auf 0,85 im Osten zunimmt. Im Westen wurden
allerdings niedrige Korrelationskoeffizienten für
die 72-Stunden-Werte (0,28) und die 24-Stun-
den-Werte (0,03) ermittelt, und das jährliche
Wasserstandsminimum ist an allen Pegeln mit
Ausnahme von Kotobrzeg gesunken. Das zeigt
deutlich, dass die unmittelbaren Ursachen niedri
ger Wasserstände nicht mit den Ursachen der
beobachteten Änderungen des mittleren Wasser
stands identisch sind. Extreme Niedrigwasser
werden von einzelnen Starkwindereignissen ver
ursacht, und eine bessere Korrelation der Werte
mit dem jährlichen Mittelwert (errechnet aus
365x24-Werten) erhält man nur, wenn man meh
rere Werte in eine gemeinsame Größe zusam
menfasst (z. B. die 72 kleinsten stündlichen
Werte, um den 72-Stunden-Wert zu berechnen).
Die negative Korrelation ist leicht zu erklären: lang
anhaltende westliche Winde drücken Wasser aus
der Nordsee in die Ostsee hinein und erhöhen so
den jährlichen mittleren Wasserstand. Dadurch
wird allerdings auch die Wahrscheinlichkeit grö
ßer, dass starker Wind aus süd- bis südöstlicher
Richtung zu extrem niedrigen Wasserständen im
westlichen und südlichen Teil der Ostsee führt.
Tabelle 3.1 a Statistische Indikatoren für mittlere und niedrige Wasserstände:
linearer Regressionskoeffizient und Korrelation mit der Zeitreihe der jährlichen mittleren Wasserstände
Wismar
Warnemünde
Sassnitz
Swinoujscie
Kotobrzeg
A
B
C
A
B
C
A
B
C
A
B
C
A
B
C
MWST (in cm)
503
17,4
504
16,80
505
6,5
502
14,6
504
15,1
Wasserstand, bei
dem die Anzahl von
Stunden im Jahr
unterschritten wird
240 h
456
12,9
0,57
462
10,20
0,69
469
4,0
0,83
465
9,9
0,79
469
16,5
0,85
72 h
436
6,8
0,28
445
5,60
0,38
455
0,6
0,58
450
1,6
0,61
458
13,2
0,75
24 h
415
-6,4
0,03
429
2,40
0,09
441
-2,9
0,32
436
-6,3
0,38
448
14,7
0,60
Wasserstandsminimum
383
-24,7
-0,16
400
-0,12
-0,12
416
-6,3
0,04
419
-3,3
0,04
436
23,2
0,41
A - Konstante (für das Jahr 2000) aus linearer Regression
B - Trend (im Jahr 2000) für lineare Regression
C - Korrelationskoeffizient mit dem jährlichen mittleren Wasserstand