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5. Die Ti'ägheitskurven. — Die frühere Ansicht über den Einfluss der Erdrotation auf
Luftströmungen. — Andeutung eines kürzeren Weges zur Gewinnung der Gl. 7) und 14).
Wenn auf einer rotirenden Scheibe keinerlei äussere Kräfte den Massenpunkt m beein
flussen, so sind P s und Pi = 0 zu setzen, und man hat also nach den Gl. 7) Seite 8 die Relationen:
0 = mrto 1 i'os & -J- mb
r 2
0 = m r w 2 sin 0 -j- 2 m v co -(- m —
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Der analytische Ausdruck für diese Gleichungen ist nach Fortlassung des allen Gliedern gemein
schaftlichen Faktors m folgender:
21)
0
0
r ft) 2 cos 0 -|-
d-s
Jp
r w 2 sin & -f- 2 ft)
äs /¿Zs\ 2
dt \dt) ds'
worin ds und dt das Weg- und Zeit-Element, dr das Inkrement desjenigen W T inkels bezeichnet, welchen
die Tangente mit der Abscissenaxe bildet. Durch Integration dieser Gleichungen würde man zu den Be
wegungsgleichungen und nach Elimination von t zu der Gleichung der vom Körper durchlaufenen Kurve
gelangen.
Dieser umständliche Weg braucht aber offenbar nicht eingeschlagen zu werden. Die Bedingung,
dass äussere Kräfte nicht vorhanden seien, verlangt, dass der Körper in seiner absoluten Bewegung
allein der Trägheit folge. Man hat also nur nöthig, auf einer festen, der Scheibe nahen und parallelen
geraden Linie einen Körper mit gleichförmiger Geschwindigkeit fortschreiten zu lassen, um denselben, von
der rotirenden Scheibe aus betrachtet, in der gesuchten Kurve fortschreiten zu sehen. Daraus ergiebt sich
folgende Konstruktion der Kurve (Fig. 6). Vom Drehungspunkte M der Scheibe fälle man auf die Gerade
ein Perpendikel a, verzeichne von dessen Fusspunkte aus auf der Geraden die je um die absolute Ge
schwindigkeit v a von einander entfernten Punkte 0, 1, 2, 3. . . und lasse durch jeden derselben einen um den
Drehungspunkt beschriebenen Kreis verlaufen. Der Bewegung des Körpers bis zu den Punkten 1, 2, 3. ..
entspricht eine Rotation der Scheibe um einen W T inkel ai, 2w, 3w . .. ; um nun in demjenigen Momente, in
welchem der Fusspunkt des Perpendikels a mit dem Körper in Berührung ist, diejenigen Punkte I, II, III. ..
der Scheibe zu bestimmen, welche ihn nach 1, 2, 3 .. . Sekunden berühren werden, muss man offenbar
auf dem Kreise 1 um den Bogen co r,, auf dem Kreise 2 um den Bogen 2 w r 2 ... von der Geraden nach
rückwärts, der Bewegung der Scheibe entgegen gehen. Dieser Konstruktion entspricht folgende Polar
gleichung der gesuchten Kurve:
22) ff = arc itang — V^ 2 a i HL r %_ a t jü
V a / v 0 2 ’
aus welcher die Bewegungsgleichungen (r und ff als Funktion der Zeit /) sich ergehen, wenn man in die
selbe die Bedingung der gleichförmigen absoluten Bewegung in der Geraden:
23) Y~r' 2 —a 2 — v 0 t
einführt (vergl. Fig. 6).
Von besonderem Interesse ist der specielle Fall a = 0, indem die Kurve dadurch in die einfachste,
die Archimedische Spirale übergeht:
24) r = — ff [ff = tu t\
Leicht kann man sich davon überzeugen, dass diese Gleichungen die obigen Differentialgleichungen 21)
erfüllen. Man setze zur Abkürzung ^ — u, so dass die Gleichungen lauten:
r = «ff; ff = ent.
Daraus folgt: