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In einem umfassenden Votum über den Gegenstand, welches am 17. Juni desselben Jahres der Ad
miralität übersandt wurde, legte die Direktion ihre die Frage berührenden Ansichten nieder, die in den
nachfolgenden sechs Punkten zusammengefasst wurden:
1. Das flir die Zwecke der Küstenmeteorologie und Sturmprognosen in der Deutschen Seewarte zu-
sammenfliessende Material an Witterungs-Telegrammen genügt, um den allgemeinen Charakter der Witterung
zu definiren und Schlüsse zu ziehen über den wahrscheinlichen Verlauf der Witterung innerhalb kurzer
Perioden, die auch im Interesse der Landwirthschaft in Deutschland verwerthet werden können.
2. Es empfiehlt sich nicht, dieses Material zu vermehren mit der Absicht, innerhalb der Seewarte
auf die Prognosen lokaler Erscheinungen im Einzelnen einzugehen; solches muss der Natur der Sache
gemäss vielmehr sekundären Stellen, die kleineren Distrikten als Zentren dienen, überlassen bleiben,
nachdem denselben von der Seewarte alle Resultate telegraphischer Berichte über die Witterung, welche
hei ihr eingehen, mitgetheilt worden sind.
3. Das wirksamste Mittel zu einer rationellen Pflege der Wetterprognosen im Interesse der Land
wirthschaft bieten die Wetterkarten und Wetterberichte der Seewarte, die daher vor allem Anderen zu
einer ununterbrochenen Verbreitung in allen Schichten der betheiligten Bevölkerung gelangen sollten. An
der Hand derselben und durch den Gebrauch der, an solchen sekundären Zentren aufzustellenden Instru
mente wird das Erkennen von meteorologischen Erscheinungen, welche die Landwirthschaft interessiren,
angebahnt und zum Ertrage gebracht.
4. Der meteorologische Dienst im Interesse der Landwirthschaft muss vermittelst der schon be
stehenden oder vielleicht in mehreren Fällen zu erweiternden landwirtschaftlichen Institutionen und unter
Anlehnung an die Seewarte organisirt werden.
5. Die Seewarte kann in dem Systeme meteorologischer Mittheilungen zum Vortheile der Landwirth
schaft, dessen Grundzüge aus vorstehenden Darlegungen zu entnehmen sind, nur als Information und Rath
erteilende Stelle in technischen Angelegenheiten mitwirken, und müssen die Verwaltungsgeschäfte in Ver
bindung mit diesem Systeme von ihr ferne gehalten werden. Es bedarf daher der Einsetzung eines be
sonderen, mit landwirtschaftlichen Interessen vertrauten Beamten am Sitze der Seewarte, welchem der
Verkehr mit den Zweigorganen im Lande zu übertragen ist. Die Unterstellung dieses Beamten unter die
persönliche Leitung des Direktors der Seewarte würde sich im Interesse des Zusammenwirkens desselben
mit dem Vorsteher der Abteilung für Wettertelegraphie empfehlen.
6. Die eigentlichen Verwaltungs- Angelegenheiten der verschiedenen Distrikts - Zentralstellen für land
wirtschaftliche Meteorologie muss Sache der betreffenden, zu denselben eine Beziehung habenden
Regierungs-Organe sein.
Am Schlüsse dieser Denkschrift, aus welcher die wichtigsten Punkte hier gegeben wurden, beantragte
die Direktion die Berufung einer Konferenz von Sachverständigen aus landwirtschaftlichen Kreisen, um
von diesen zu erfahren, was man von der Einrichtung eines meteorologischen Dienstes von ihrer Seite er
warte, und eingehend zu erwägen, wie man den Anforderungen von Seite der Seewarte würde entsprechen
können.
In Folge der in der Denkschrift ausgesprochenen Ansichten wurden die schwebenden Verhandlungen
zwischen der Kaiserlichen Admiralität und dem Königlich Preussischen Ministerium für landwirtschaftliche
Angelegenheiten aufs Neue aufgenommen und bestimmt, dass durch eine Vor-Konferenz, welche im Herbste
des Jahres 1876 in Berlin von dem Königlichen Landesökonomierath Dr. Thiel und dem Direktor der
Seewarte abzuhalten war, die leitenden Gesichtspunkte für die Einrichtung eines landwirtschaftlich-
meteorologischen Dienstes für das Gebiet des Preussischen Staates festgestellt werden sollten.
Obgleich nun die Direktion der Seewarte überzeugt war, dass bei dem Mangel einer Organisation
der meteorologischen Arbeit im Königreiche Preussen, da namentlich auch die Einrichtung zahlreicher
Stationen dritter Ordnung fehlte, es unendlich schwierig sein würde, auf dem Gebiete der ausübenden
Witterungskunde Erspriessliches zu leisten, so erachtete sie es dennoch für ihre Pflicht, auch nun wieder
für die Nutzbarmachung ihrer Witterungsberichte zu wirken und zum Mindesten durch die Konferenz
abermals die grundlegenden Gedanken bezüglich dieser Einrichtung zu berathen und in Formen zu bringen.
Die Konferenz fand im Ministerium der landwirtschaftlichen Angelegenheiten statt am 19. und 20. Oktober.
Das Resultat dieser Verhandlungen ist in dem nachfolgenden Programme niedergelegt.