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Die königl. preussische Regierung hat die nachfolgend bezeichneten Einrichtungen zum Schwaien der
Schiffe getroffen.
Dem Möwenhaken gegenüber, in der Nähe der Haidefahrt bei Swinemünde, ist eine Stelle von
ungefähr 100 Metern im Durchmesser bis zu einer Tiefe von 6 Metern ausgebaggert worden, und sind in
der eisfreien Jahreszeit daselbst 3 Tonnen für Deviationsbestimmungen ausgelegt. Da von dieser Stelle aus
keine entfernten Gegenstände sichtbar sind, so muss die Deviationsbestimmung durch Sonnenpeilungen oder
durch reziproke Peilungen erfolgen.
Ferner liegt im Stettiner (Grossen) Haff, ungefähr 1 Kilometer südwestlich vom Feuerschiff Keicks, auf
5.6 m bis 6 m Tiefe, in der eisfreien Jahreszeit eine Tonne zu Deviationsbestimmungen.
Die geographische Lage dieser Tonne ist: 53°48'50" N. Br. und 14°29'40" Oestl. L. von Greenwich.
Von dieser Tonne peilt vom 1. Januar 1880 missweisend:
Leuchtfeuer zu Swinemünde N 39° 0' W ungef.. . 18520 Meter entfernt.
Wolliner Kirche No. I. (¿) N80°28'0 „ 13038 „ „
Wolliner Kirche No. II. (¿) N81°25'0 „ 12038 „ „
Kirche in Lebbin (¿) N 19° 38' W . . . • „ 8334 „ „
Ausser den hier aufgezählten Einrichtungen in deutschen Häfen sind, wie bereits bemerkt, früher schon
von der kaiserlichen Marine auf der Rhede von Wilhelmshaven und in der Kieler Bucht Systeme von Bojen,
ähnlich jenem von Brunshausen, ausgelegt worden, um welche auf Ansuchen beim Stationskommando auch
Kauffahrteischiffe unentgeltlich zum Zwecke der Deviationsbestimmung schwaien können.
Im Flensburger Hafen, woselbst die Deviationsbestimmung, des eifrig betriebenen Baues eiserner Schiffe
halber, von erheblicher Bedeutung ist, befindet sich ferner eine bestimmte Boje im Hafen, so situirt, dass
mit Leichtigkeit um dieselbe geschwait und Peilungen genommen werden können. Das Nähere darüber ist
von dem Vorsteher der dortigen Agentur der Seewarte, Herrn Pheiffer jederzeit zu erfahren.
Ehe die Vorrichtungen zum Schwaien eingerichtet waren, und auch jetzt noch bei nebligem oder un
sichtigem Wetter, mussten die zu Deviationsbestimmungen erforderlichen Peilungen mittelst der Sonne
oder eines anderen Himmelskörpers bei Nacht erhalten werden. Auch wurde dazu die auf den Flüssen
Elbe und Weser während der Fahrt stromabwärts ziemlich häufig gebotene Gelegenheit zum Beobachten
von Deckpeilungen benutzt. Ganz erheblich wurde aber, und wird heute noch, das Beobachten zu dem
bezeichneten Zwecke durch die Anwendung des Prismenkreuzes von Bauernfeind erleichtert, da mittelst
dieses einfachen Instrumentes die Stelle und der Moment genau angegeben werden kann, wo und wann
sich ein Schiff in seiner Fahrt zwischen zwei Objekten (Kirchthürmen) befindet, woraus wiederum mit Leichtig
keit eine, mit einer Deckpeilung gleichwerthige Peilung abgeleitet werden kann. In einem grösseren Artikel
der „Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteorologie“, Jahrgang 1876, Seite 384 u. ff., ist eine kurze
Beschreibung dieses Verfahrens, was sich auch sehr gut während des Segelns in engen Gewässern (Strassen,
Meerengen und zwischen Inseln) anwenden lässt, gegeben worden. Es finden sich dort auch die wichtigsten
Prismenkreuz-Peilungen an der Unterelbe und auf der Weser mit den Deckpeilungen und ihren Azimuten
zusammengestellt.
c. Kurzgefasste Darlegung der Thätigkeit der Seewarte auf diesem Gebiete bis zum Ende des Jahres 1878.
Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich mit genügender Klarheit der Standpunkt, welchen die Direktion
der Seewarte mit Bezug auf die Behandlung der Deviationsfrage in den Häfen der deutschen Handelsmarine
einzunehmen sich als letztes Ziel vorgesetzt hat. Es ergiebt sich daraus aber auch, dass beim Beginne
der diesbezüglichen Thätigkeit und noch eine geraume Zeit in die Epoche hinein, über welche hier berichtet
werden soll, nicht daran gedacht werden konnte, diesen Standpunkt strenge einzuhalten und jede ausser
halb seiner Sphäre liegende Hülfeleistung abweisen zu können. Wenn es allerdings einerseits galt, mit
allem Nachdrucke an den verschiedenen Hafenorten, an welchen dies mit Erfolg geschehen konnte, bei der
Aufstellung und Kompensation der Kompasse nach Ausführung der erforderlichen Fundamental-Beobach
tungen, nach streng wissenschaftlichen Maximen vorzugehen, so musste doch auch andererseits in den meisten
Fällen, wo ihre Hülfe in Anspruch genommen wurde, die Seewarte in der Ausführung der Arbeiten zur
Bestimmung der Deviation, im engeren Sinne, mitzuwirken suchen, wann und wo es nur immer ohne
Gefährdung der vorgesteckten Ziele möglich war. Dies war freilich zeitweise bei dem Mangel der noth-
wendigen, von anderwärts zu stellenden Hülfskräften eine recht schwierige Sache. Eine Inanspruchnahme