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Full text: 20, 1897

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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1897 No. 3 — 
seine trichterförmige Südöffnung das Wasser, an der schwedischen Küste entlang bis Bornholm hin zurück 
greifend. Hingegen scheint es, als wenn an den deutschen Küsten der entsprechende Kompensationsstrom 
nach Ost mit einer nördlichen Komponente, entsprechend der vorherrschenden Windrichtung auftritt; es 
geht das aus der Verschiebung des Salzgehaltes hervor und der nach gleicher Richtung erfolgenden Ver 
schiebung der Wandersände. An einzelnen Molenhäfen der pomm ersehen Küste ist gelegentlich der Oststrom 
so stark, dass die Schiffe bei der Aus- und Einsegelung dem Ruder versagen und an den Molenköpfen Be 
schädigungen erleiden. Im Winter dagegen und überhaupt bei unruhiger Witterung wechselt der Strom mit 
dem Winde.“ Die eingangs angeführten Unfälle vor Stolpmünde u. s. w. aus den „Seeamts-Untersuchungen“ 
liefern für die Bemerkungen Krümmels den besten Beweis. 
Auch Hagen, Handbuch der Wasserbaukunst, 3. Th., 2. Auf!., pag. 258—260, und Franzius (I c., 
S. 312) erwähnen diese Küstenströmung. Letzterer schreibt dem „kräftigen von West nach Ost setzenden 
Strome eine gelegentliche Geschwindigkeit bis 3 Meilen“ zu, meint aber: „andrerseits kann er durch ent 
gegengesetzten Wind zum Stillstand oder gar Rücklauf gebracht werden.“ 
Alle Beobachter und Autoren geben zu, oder gehen vielmehr davon aus, dass die Ostsee stets ihren 
Ueberschuss an die Nordsee abgiebt, d. h. also ein durch Sund und Belte aus dem baltischen Meere heraus 
setzender Strom vorhanden ist. Jedoch schon frühe beobachtete man, dass in der Tiefe ein entgegen 
gesetzter Wasserzufluss vorhanden war, welcher das schwerere Xordseewasser wieder in das Nachbarbecken 
hineinführte. 
In einer älteren Abhandlung: Eingegeben von dem casselischen geheimen Rathe, Herrn Waiz: „Unter 
suchung der Ursache, warum das Wasser allezeit in das mittelländische Meer durch die Enge bey Gibraltar 
hineinströmet“ (Abhandlungen der Königl. Schwed. Akademie der Wissenschaften, 17. Band, übersetzt von 
Kästner, 1757) findet sich p. 38, § 22 über die Möglichkeit zweier übereinander lagernden Strömungen 
folgender Beweis: „Aelmliche Bemerkungen — wie im Mittelmeer — hat man im Oeresund angestellet (Phil. 
Transact., Abridgd. Tome 2, p. 288), die englischen Seeleute sind daselbst auf einem Boote mitten in den 
stärksten Strom gefahren und haben gefunden, dass das Boot dem Strome gefolget ist: als sie aber einen 
Eimer mit einer Stückkugel darinnen in einem Boote niederliessen, blieb das Boot erstlich in seiner Fahrt 
dem Strome nach stehen und fing nachgehends an, dem Strome gänzlich entgegen zu gehen, als man den 
Eimer noch mehr niederliess. Sie fanden, dass der obere Strom nicht tiefer als 4—5 Famnar (Faden) war, 
je tiefer man aber den Eimer niederliess, desto stärker hat der untere Strom gegen den oberengezogen.“*) 
Auch David Brewster berichtet im Edinb. Phil. Journ. N. 245 v. 1821 ebenfalls von Versuchen bei 
Gibraltar und Helsingör. Kpt. Patton, R. N., fand in der Nähe des zweiten Ortes, vor Anker liegend, einen 
aussetzenden, d. h. aus dem Sunde ins Kattegat laufenden Strom von 4 Meilen die Stunde Geschwindigkeit. 
„Upon dropping the lead, in Order to ascertain the depth of water, which was about fourteen fathoms, he 
found the liue continue perpendicular from liis hand, wlien the lead itself was raised a little from the 
ground. Hence he concluded, that an under current, equally rapid witli that of the surface, had prevented 
the lead and line from yielding to the opposite motiou of the fluid, as is would have done, had the sliip 
been sailing at that rate through the water. The Baltic consists of brakish water, and the currents in the 
Sound frequently change by the influence of the winds.“ 
Die Theorie der Meeresströmungen (Krümmel, Ozeanogr., Bd. II, S. 331) — d. h. die Lehre von den 
Ursachen und dem Zusammenhänge derselben — hat bis in unsere Tage hinein etwas Fragmentarisches 
behalten, indem meist ein einzelner Gesichtspunkt herausgegriffen und als eine ausschlaggebende Ursache 
für eine Gruppe gewisser Strombewegungen, wenn nicht für die Gesammtheit aller hingestellt wurde. 
Nun ist auch für die vorliegende Abhandlung „ein einzelner Gesichtspunkt herausgegriffen“ worden, 
da jeder Beitrag für die Kenntniss der Beschaffenheit und des Laufes der Meeresströme, wie Lommel 
(„Wind und Wetter“, pag. 218) empfiehlt, von der grössten Wichtigkeit ist. 
Da mich die eigene Erfahrung und tägliche Berührung mit dem praktischen Seeleben immer von Neuem 
auf den vorliegenden Gegenstand hinwiesen, verfolgte ich hauptsächlich die Strömungen des meinem Wohn 
sitze zunächst liegenden Fahrwassers. 
Die Lage Lübecks und sein überwiegender Verkehr nach Osten hin legen fast allen von liier fahrenden 
Schiffen denselben nordöstlichen Kurs Travemünde—Bornholm auf. Alle müssen — nur wenige der hiesigen 
*) Dies findet sich auch bei Maury, Wind and Curr., pag. S4, erwähnt.
	        
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