Dy. Gerhard Schott: Die Flaschenposten der Deutschen Seewarte.
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Archiv 1S97- 2.
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belegt, und es ist hieraus mit ziemlicher Sicherheit zu schliessen, dass der grösste Tlieil des Golfstromes
nach SO, zu den Azoren, sich wendet, nur der kleinere Tlieil nach NO. Damit stimmt ja auch der Umstand,
dass die von der Ostküste Nordamerikas vertriebenen Tonnen u, s. w. in viel grösserer Anzahl auf den
Azoren als auf Island, Schottland u. s. w. wieder zum Vorschein kommen.
Dies Verhältniss gestattet auch einen guten Schluss auf den Weg, welcher von der Flaschenpost No. 206
(siehe Tabelle Ic und Tafel 2) gemacht worden ist und der längste innerhalb des Nordatlantischen Ozeans
von einer Flasche zurückgelegte sein dürfte. Am 19. Mai 1887 warf Kapt. B ehr mann auf 13°N-Br. und
26°W-Lg., d. h. etwa 150 Sm. im SW der KapVerden, die Flasche aus, die am 17. März 1890 an der
Westküste Irlands hei Clifden gefunden wurde. An sieb ist der Weg nördlich der grossen Antillen auch
möglich; indessen würde die Flasche damit an den Südrand des Golfstromes gekommen sein und ihre Auf
findung wäre auf den Bermudas oder den Azoren zu erwarten gewesen. Ihre Ankunft in Irland spricht
durchaus dafür, dass sie durch die Karibische See und durch die Florida-Strasse geschwommen ist, weil
sie damit von vornherein der linken, d. h. westlichen resp. nördlichen Seite des Golfstromes zugeführt wurde.
Die mittlere tägliche Versetzung von 7.5 Sm. passt sehr wohl zu dieser Annahme; im Passat wird in Wirklich
keit die Trift viel grösser, vielleicht noch einmal so gross gewesen sein, im Westwindgebiet aber kleiner.
An die Küste von Portugal und Marokko gelangen Maschen nur selten, es sind nur 9 Stück von diesen
Küsten der Seewarte zugesandt worden. Der Strom setzt daselbst meist genau parallel zur Küste, sodass
Flaschenposten, die, wie No. 49 (Taf. 2), nur etwa 20 Sm. vom Land entfernt ausgesetzt werden, doch unter
Umständen in Westindien gefunden werden. Nur 2 Stromflaschen haben vom Ozean her ihren Weg durch
die Gibraltarstrasse gefunden (No. 27 und No. A auf Taf. 3).
Das Ergebniss der Flaschen triften, welche in oder ein wenig ausserhalb der Biskaya-See ihren Weg
begonnen haben, ist ein Beweis mehr dafür, dass die sogenannte Rennellströmung in der auf fast allen
Stromkarten angenommenen NW-Richtung unter der Westküste Frankreichs meist nicht existirt. Fast sämt
liche. hier in Betracht kommenden Stromflaschen haben vielmehr einen Generalkurs nach 0 und OSO in
der Biskaya eingehalten, was ganz mit der Richtung der durch den Fürsten von Monaco ausgeworfenen Treib
körper zusammenstimmt. 1 ) Sehr viele Flaschen treiben zwischen der Loire- und der Gironde-Mündung an^
und zwar sind mehrere davon genau aus NW gekommen (s. Flaschenpost No. 57); ja mehrere, wie No. 134
(Taf. 2), 64 und 80 (Taf. 3), müssen ganz nahe an der berüchtigten Ecke von Ouessant herum in einer der
vermeintlichen Rennellströmung entgegengesetzten SO-Richtung geschwommen sein. Daneben sind auch
mehrere Flaschen, die nach NO zum Kanal getrieben sind, aber keine einzige von den auf der Ueberfahrt
Ouessant-Finisterre ausgesetzten Flaschen ist nach NW, nach Irland gelangt, sodass für eine Strömung, die
entlang der Westküste Frankreichs setzend ihren Lauf bis nach Südirland hin nähme, kein Beweis durch
Flaschenposten erbracht wird.
Von interessanten Triftrichtungen seien noch erwähnt: auf Tafel 2 No. 46, welche zeigt, dass die auf
Tafel 1 eingetragene Grenze zwischen dem nordöstlichen und dem südöstlichen Zweig des Golfstromwassers
sich stark in Breite verschieben kann; dann auf derselben Tafel 2 No. 135 und 137, und auf Tafel 3 No. 58,
welche alle 3 mit der Annahme der Rennellströmung ganz unvereinbar sind, und von denen die zweitgenannte
noch ausserdem durch ihren Fundort bei Kap Ortegal auffällig insofern ist, als in dieser Gegend das Wasser
meist sehr entschieden nach Osten entlang der spanischen Küste fliesst, wovon auch viele Flaschenposten
Zeugniss ablegen. Nach Kapt. Dinklage’s Untersuchung' 2 ) läuft der Strom in der Biscaya-See vorwiegend
mit dem Wind, und da in der Zeit nach Aussetzung der Flasche No. 137 (8. Mai 1895) vielfach kräftige
0- und NO-Winde geherrscht haben, so ist diese Flasche in 36 Tagen vielleicht ganz direkt zur Fundstelle
gelangt.
No. 130 und 143 (Tafel 3) sind unwiderlegliche Beweise dafür, dass unter der Küste Portugals und
Galiciens der Strom auch nicht immer nach Süden setzt, sondern gelegentlich nach Norden.
Die beigegebenen Karten reichen nur bis etwa 65° N-Br., bis wohin auch Flaschenposten der Seewarte
gelangt sind. Das amerikanische Amt 3 ) ist im Besitz eines Zettels, der von 56° N-Br., 31° W-L. ausgehend
’) Literatur siehe oben Seite 3.
2 ) Siehe Annaien der Hydrogr. 1895. S. 427 ff.
3 ) Siehe Pilot Chart, Juni 1895, Rückseite, No. 2 des Verzeichnisses.