Dr. G. Neumayer: Anemometer-Studien auf der Deutschen Seewarte.
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Die vorstehenden Vergleichungen führen zu dem Resultat, dass, wie zu erwarten war, der Robinson sehe
Faktor zu gross ist, und dass die bei Anwendung desselben sich ergebenden Differenzen verschwinden, so
bald man die für jedes einzelne Instrument abgeleitete Interpolationsformel zur Ableitung der Wind
geschwindigkeit benutzt.
Hinsichtlich der Prüfung des Normal- und Stationsanemometers mit dem Rotationsapparate und des
Verhaltens desselben bei konstanter und variabler Geschwindigkeit können wir auf das im Abschnitt II bei
Besprechung des Normalanemometers Gesagte verweisen.
IY. Untersuchungen über Aspirationsanemometer.
Bekanntlich erzeugt ein Luftstrom von der Geschwindigkeit v, der über ein vertikales, oben offenes
Rohr hinwegstreicht, in diesem eine Druckverminderung; ist der äussere Luftdruck .P, der Druck im Innern
des Rohres P\, so gilt die Beziehung _ ~ —p—
Kennt man den Werth der Konstanten C, so braucht man nur die Druckverminderung mit einem ge
eigneten manometrischen Apparat zu beobachten, um die momentane Windgeschwindigkeit zu erhalten. Die
Anemometer von Hagemann 1 ) und von Werner von Siemens 2 ) beruhen auf diesem Prinzip.
Der Gedanke, die Konstante durch Versuche mit dem Rotationsapparat zu bestimmen, liegt sehr nahe.
Man braucht zu diesem Zwecke nur das auf dem Rotationsapparate angebrachte Rohr mit dem über der
Axe des letzteren befindlichen, durch Wasser abgesperrten, pneumatischen Kessel, und diesen mit einem
Differentialmanometer durch eine Röhrenleitung zu verbinden. Indessen giebt die in diesem Falle abge
lesene manometrische Differenz nicht den Unterschied zwischen dem äusseren Luftdruck und dem Druck im
Ende des Rohres, auf den es ankommt, sondern die Differenz zwischen dem äusseren Luftdruck uud dem
Druck im pneumatischen Kessel, der gleich dem am inneren Niveau des Manometers herrschenden ist. Be
fände sich der Apparat in Ruhe und wehte ein Luftstrom über das Rohr hin, so wäre diese Differenz die
gesuchte Grösse; bei der Bewegung des Apparates aber macht sich die Wirkung der Centrifugalkraft auf
die im rotirenden Verbindungsrohr befindliche Luft geltend und das Resultat wird weniger einfach. Es er-
giebt sich dies aus folgender Betrachtung.
Bei hinreichend langer Dauer der Rotation wird die Luft in dem Verbindungsrohr zwischen der Saug
spitze und dem pneumatischen Kessel einen Gleichgewichtszustand annehmen, der bei überall gleicher Tem
peratur im Rohr nur durch ein kontinuirliches Anwachsen der Dichte und damit der Spannung der Luft
in der Richtung nach aussen zu Stande kommen kann. Der Zentrifugalkraft, die auf ein zwischen zwei
unendlich nahen Querschnitten des Rohres befindliches Massenelement der Luft wirkt, wird dann durch den
Drucküberscliuss des nach aussen folgenden Elementes das Gleichgewicht gehalten.
Bezeichnen wir den Druck im Rohr in der Entfernung x vom Mittelpunkt mit p, den äusseren Luft
druck mit P, so ist die Masse der Volumeneinheit der Luft an dieser Stelle nach dem unter der gemachten
Voraussetzung gültigen Boyleschen Gesetze gleich -p-, worin m die Masse der Volumeneinheit der äussern
Luft ist, wenn wir annehmen, dass die Luft im Rohr dieselbe Temperatur wie die äussere hat. Ist die üm-
drehungszeit des Apparates gleich T, so haben wir nach der fundamentalen Differentialgleichung der Hydro
statik: mpAn 2 x dp
~~PT 2 = dx'
Nach Trennung der Variahein erhält man hieraus durch Integration:
mAn 2 x 2
2PT 2
Ip + Const.
Die integrationskonstante bestimmt sich durch die Bemerkung, dass für x = 0, p~ P o5 d. h. gleich
dem Druck am innern Niveau des Manometers wird; berücksichtigt man, dass für x — r (Entfernung des
Saugrohres von der Axe des Apparates) p — P\ wird, d. h. gleich dem Drucke in der Spitze des Rohres,
so hat man die Gleichung
oder «
— e
2 P
*) G. A. Hagemann, Om Vindmaalere (Sur les anémomètres). Annuaire pour l'aimée 1ST6 de l’institut météoro
logique Danois. Kjobenhavn 1S77, pag. XXXIII.
2 ) A. Koepsel, Ueber ein neues Anemometer uach Geh. Kath Dr. W. Siemens. Zeitschrift für Instrumenteilkunde
VII, ISST, pag. 14.