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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1S97 No. 4 —
auf die Angaben desselben hat in dem Sinne, dass die Geschwindigkeiten aller nicht völlig gleichförmigen
Luftbewegungen, d. li. aller natürlichen Winde, mehr oder weniger zu hoch gefunden werden. (Vergleiche
hierzu das weiter unten bei Gelegenheit des Normalanemometers der Seewarte Gesagte.) Auch die vor kurzem
veröffentlichten Anemometer-Vergleichungen Fergussons 1 ) bestätigen die Ansicht Marvins; er kommt
zu dem Ergehniss (S. 274): „that the rate of the Robinson anemometers is higher during a variable wind,
than during a steady wind, and that tlie rate of the fan anemometers is not appreciably affected.“
Zu denselben Resultaten führt eine von ganz anderen Gesichtspunkten ausgehende, neuerdings ver
öffentlichte theoretische Untersuchung von Chree, 2 ) deren Ergebniss hinsichtlich der vorliegenden Frage
in folgenden Worten zusammengefasst ist (S. 90):
„If the wind’s velocity has large and frequent oscillations, the anemometer in addition to smoothing
down the oscillations exaggerates the mean velocity. This exaggeration increases witli the extent of the
fiuctuations.“
In demselben Sinne spricht sich auch Langley 3 ) aus: „Here we may note the error of the common
assumption that the ordinary anemometer, however heavy, will, if frictionless, correctly measure the velocity
of the wind, for the existence of „vis inertiae“, it is now seen, is not indifferent, but plays a most important
part, where the velocity suffers such great and frequent changes as we here see it does.“
Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, dass jene Schwankungen im Mitwind und die im Lichthofe be
obachteten Luftströmungen die Tendenz haben, die Rotation des Schalenkreuzes zu beschleunigen. Bedeu
tende Fehler können daraus, wie die oben gegebene theoretische Betrachtung zeigt, nicht entstehen, ausser
bei sehr kleinen Geschwindigkeiten. Für die Bestimmung der Konstanten wird eine solche Variabilität der
Luftbewegung im Prüfungsraum nicht schädlich wirken können, da sie die Verhältnisse bei der Prüfung den
bei dem Gebrauche vorkommenden näher bringt. Untersuchungen mit Anemometern gleicher Form, aber
von verschiedenem Trägheitsmoment bei variabeln Rotations-Geschwindigkeiten mit chronographischer Regi-
strirung der Beobachtungsdaten könnten mehr Licht in diesen Gegenstand bringen.
Zum Schluss wollen wir noch auf einen für die Anwendung und Prüfung des Robinsonschen Anemo
meters nicht unwichtigen Punkt eingehen, der an der Seewarte einer genaueren Untersuchung unterzogen
worden ist. 4 ) Es ist die Frage, welchen Einfluss eine Aenderung der Lage der Axe des Instrumentes zur
Vertikalen und in Bezug auf das Azimut zum Arm des Rotationsapparates auf die Registrirungen desselben
hat. Eine Aufklärung dieser Frage ist nach mehreren Richtungen hin nicht ohne Interesse. Wir würden
dadurch ein Urtheil gewinnen über die Genauigkeit der Registrirungen von Anemometern, hei denen, wie
z. B. auf Schiffen und Ballons, eine gesicherte vertikale Aufstellung nicht erreicht werden kann; andererseits
würden wir darüber aufgeklärt, welche Abweichungen von der normalen vertikalen Lage man bei der Prüfung
sich gestatten kann, ohne die Genauigkeit merklich zu beeinträchtigen.
Die Untersuchungen wurden mit einem Recknagelschen Anemometer angestellt, welches mit Hülfe
einer mit einem Gelenk versehenen Stange successive um 20°, 40°, 60°, 90° gegen die Vertikale geneigt
wurde, und zwar einmal in der durch den Arm des Apparates gelegten Vertikalebene, sodann in der auf
dieser senkrechten, endlich in einer gegen beide um 45° geneigten Ebene.
Mit Hülfe einer geeigneten Vorrichtung wurde dafür gesorgt, dass die Mitte des Schalenkreuzes immer
in die durch den Arm des Apparates gelegte Vertikalebene fiel, um eine Zerlegung in Komponenten zu ver
meiden, für die jeder Anhalt gefehlt haben würde, da das Gesetz, welches den Normaldruck des Windes
gegen eine Kugelschale als Funktion des Einfallswinkels darstellt, unbekannt ist.
Die Untersuchungen ergaben, dass sich bei der geneigten Aufstellung des Anemometers im allgemeinen
solche Abweichungen von den Registrirungen bei der Vertikalstellung zeigten, dass die Prüfung in einer
von dieser abweichenden Lage unzulässig erscheinen muss, um so mehr als dann für die Reduktion auf die
geradlinige Bewegung jeder Anhalt fehlt.
1 ) S. P. Fergusson, Anemometer Comparisons. Annals of the astronomical observatory of Harvard College, Vol. XI.
Part. IV. Observations made at tlie Blue Hill Meteorological Observatory in the year 1894. Appendix G, 25G. Cam
bridge, 1895.
2 ) C. Chree, Phil. Mag. V. Ser. Vol. 40, No. 242, 90.
3 ) S. P. Langley, The internal work of the wind. Smithsonian Contributions to knowledge. 8S4. Washington,
1S93, 10.
4 ) v. Hasenkamp, a. a. 0.