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Aus dem Archiv der Deutschen Seewarte — 1897 No. 4 —
theilkaft. Bei dem Hamburger Apparat kann wegen der bedeutenden Entfernung der Decke vom Anemometer
dieser Einfluss überhaupt nickt in Betracht kommen.
Ein gleicher hemmender Einfluss der Seitenwände würde ebenfalls keinen Nachtheil bieten, wohl aber
könnte die Reflexion der vom Anemometer erzeugten Luftwirbel und der zentrifugal nach aussen sich be
wegenden Luft an den Wänden die Anwendung der Methode in Frage stellen, wenn diese Einflüsse die
Stärke hätten, die Robinson ihnen zuzuschreiben geneigt ist. Dohrandt’s Ballonversuche, sowie ähnliche
unter Leitung des Direktors auf der Seewarte angestellte haben aber gezeigt, dass die zentrifugale Strömung,
wie schon oben bemerkt, viel zu langsam ist, um solche störende Reflexionen hervorzubringen. Von grösserem
Einfluss könnte die Reflexion der vom Anemometer erzeugten Luftwirbel sein, wenn dasselbe nicht schon
längst aus der Stelle wäre, ehe die reflektirte Bewegung in die Bahn zurückgelangt. Mit Recht sagt Wild 1 ):
„Wer mit Aufmerksamkeit die Versuche selbst verfolgt, wird erkennen, dass gerade diese von der Nähe der
Wände und Decke herrührenden Einflüsse durchaus Grössen zweiter Ordnung sind und im übrigen die
selben nur einen günstigen Einfluss haben.“
Nach Darlegung der Prüfungsmethode im allgemeinen und der ihr anhaftenden Schwierigkeiten bleibt
uns noch übrig, auf einige Untersuchungen einzugehen, die an der Seewarte zur Ermittelung etwaiger Lokal
einflüsse angestellt worden sind.
Zur Bestimmung des Mitwindes werden, wie schon früher erwähnt, zwei Flügelanemometer verwendet,
die einander diametral gegenüber an der geschlossenen Nordwest- und der offenen Südost-Wand auf ge
eigneten Stativen angebracht sind. Es ist nun beobachtet worden, dass in der Regel das gewöhnlich an der
geschlossenen Seite aufgestellte, mit No. 60 bezeichnete Mit win d - A n emo m et er bei einer Rotation des Apparates
nach N-O-S-W kleinere Werthe giebt, als das an der offenen Seite befindliche, mit No. 61 bezeichnete In
strument; bei dem Rotationssinn N-W-S-0 giebt umgekehrt No. 60 die höheren Werthe. Zahlreiche Bei
spiele, allerdings mit einigen Ausnahmen, finden sich unter den Mitwind-Bestimmungen von v. Hasenkamp
(a. a. O., S. 4—10). Dies Verhalten erklärt sich nicht etwa durch die Bewegungsrichtung des Schalenkreuzes,
das bei der gewählten Aufstellung der Mitwind-Anemometer, wie wir gesehen haben, ohne Einfluss ist; auch
müsste ein solcher, wenn er vorhanden wäre, sich in anderer Weise äussern. Auch eine Wirkung der ver
schiedenen Beschaffenheit der Seiten kann hierin nicht gefunden werden, da No. 60 stets an der geschlos
senen, No. 61 stets an der offenen Seite gestanden, und da bei Aendenmg der Rotationsrichtung des Apparates
die Anemometer nur umgedreht, aber auf ihrem Platz belassen wurden. Ueberhaupt scheint das Vorhanden
sein offener und geschlossener Wände von nur sehr geringem Einfluss auf den Mitwind zu sein. Es ist
vielmehr die allgemeine Luftzirkulation selbst, die erwiesenermaassen im Lichthofe stattfindet, welche die
Differenzen in den Angaben der Mitwind-Anemometer bedingen dürfte. Im Innern des Lichthofes ist in der
Nähe der Eingangsthür am Boden und in einiger Entfernung davon ein starker nach innen gerichteter Luft
strom wahrnehmbar. In einiger Höhe über dem Fussboden ist in der Nähe der Mitwind-Anemometer der
Luftstrom gegen den nach Westen gelegenen offenen Bogen der Südwest-Wand gerichtet. Diese Verhältnisse
sind von Herrn Dr. Duderstadt durch Beobachtung der Ablenkung einer Kerzenflamme festgestellt worden,
und zwar abends bei Verschluss sämmtlicher Thüren, namentlich der inneren und äusseren Eingangsthüren
zum Gebäude, während draussen ein lebhafter SW-Wind wehte. Es muss jedoch bemerkt werden, dass an
einem andern Tage mit schwachem nördlichen Wind an allen Stellen des Lichthofes nahe am Boden die
Flamme stark nach aussen geweht -wurde, so dass ein zentral herabsteigender Luftstrom in der Mitte an
genommen werden muss. In der Höhe schwankte die Flamme bald nach innen, bald nach aussen, jedoch
nur sehr schwach. Wurde die Oeffnung im Oberlicht verdeckt, so brannte die Kerze überall ziemlich ruhig,
nur in der Nähe der Eingangsthür wurde die Flamme nach innen geweht.
Vergleicht man nun die zuerst beobachteten Verhältnisse mit den Mitwind-Angaben, so zeigt sich, dass
dort dieselben grösser ausfallen müssen, wo der Luftzug und der Mitwind die gleiche Richtung haben: an
der Nordwest-Seite (No. 60) bei N-W-S-O-Rotation, an der Nordost-Seite (No. 61) bei N-O-S-W-Rotation.
Im Mittel, das zur Berechnung des Mitwindes stets angewandt wird, fällt dieser Einfluss des Luftzuges weg.
Es muss jedoch bemerkt werden, dass dieses Verhalten zwar die Regel ist, dass jedoch, wie schon bemerkt,
Ausnahmen 2 ) Vorkommen, die vielleicht mit der Richtung des Windes, der bei Oeffnung der beiden Jalousieen
*) Wild, Carl's Repertorium, Bd. 13, 502.
2 ) Sielie z. B. weiter unten Abschnitt V.