2 Atmosphärenphysik
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System Nordsee
2.8 Zusammenfassung
Die Atmosphäre ist der Motor, der die Entwicklung des ozeanographischen Zustands
der Nordsee wesentlich antreibt und steuert. Besonderheiten und Anomalien der at
mosphärischen Zirkulation stehen vielfach am Anfang von Wirkungsketten, die sich
über ozeanographische Zustandsvariablen, Verteilungsmuster von Schad- und Nähr
stoffen bis hin zu biologischen Anomalien erstrecken.
Nordatlantische Oszillation (S. 37 ff.)
Die NAO ist Bestandteil eines den Globus umspannenden Oszillationssystems, das
Wetter und Klima entscheidend prägt. Der NAO-Index ist ein Maß für den Schwin
gungszustand der Luftdruckschaukel zwischen Island und den Azoren, welches Stär
ke und Richtung der Zonalzirkulation im Nordatlantik anzeigt. In der Nordseeregion
sind indexkonforme Verstärkungen bzw. Abschwächungen der Zonalzirkulation ge
wöhnlich auf das Winterhalbjahr beschränkt. Der Winter NAO-Index (DJF-Quartal
2004/5) zeigte abweichend von den seit 1997 häufig neutralen Zuständen einen stark
positiven Mode von 2.03 und eine entsprechend intensive Westzirkulation an. Da die
NAO zwischen Dezember (3.3) und März (- 3.7) einem extremen Abschwung unter
lag, waren die Lufttemperaturen im Nordseeraum nur bis Ende Januar deutlich zu mild,
anschließend tendenziell zu kühl. Die hochamplitudige Schwingung der NAO im Jahr
2005 war von ähnlicher Qualität wie 2002 und bildete sich im Phasenraum der dyna
mischen NAO-Zustände seit 1879 als raumgreifende elliptische Trajektorie ab.
Großwetterlagen (S. 41 ff.)
Der aus täglichen Luftdruckfeldern im Meeresniveau abgeleitete Wetterlagenkalender
für die Nordsee ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Interpretation von anomalen Zuständen
und besonderen Ereignissen, die (un)mittelbar mit der atmosphärischen Zirkulation in
Zusammenhang stehen. Bzgl. der Wetterlagen selbst wird festgehalten, dass antizyk-
lonale Lagen A (17 %), gefolgt von C-, NW-, W- und SW-Lagen mit relativen Häufig
keiten um 10 %, die stärksten Fraktionen unter den 27 Zirkulationsformen bildeten. Für
die seltene E-Lage, die im Jahr 2004 nur 1 mal eintrat, ergab sich der stärkste relative
Zuwachs (1300 %). Die Sturmfrequenz stieg von 20 (2004) auf 26 Tage an, blieb aber
weiter deutlich unter Normalniveau, denn Herbststürme (5) traten extrem selten ein.
Allein 15 Sturmtage entfielen auf eine 3wöchige Rapid-Development-Phase zu Jah
resbeginn. Der Anteil starker Stürme war mit 7 Ereignissen ungewöhnlich hoch.
Eine robuste Wetterlagenstatistik auf monatlichen und saisonalen Zeitskalen wurde
mit den reduzierten Haupttypen A, C, NE, SE, SW und NW durchgeführt, wobei die
aktuellen Häufigkeiten im Kontext empirischer Verteilungen des Zeitraums 1971 -
2000 bewertet wurden. Auf Jahressicht sind neben dem mäßigen Defizit / Überschuss
von A- (86 Tage; P-| 7 ) und SW-Lagen (93; P 78 ) die signifikante Häufung von NW-Lagen
(84; P 97 ) bemerkenswert. Die Rekordhäufung von NE-Lagen im Winter (10) und ihr
Ausbleiben im Frühjahr (3) entsprach normalen Verhältnissen in der jeweils anderen
Jahreszeit und führte gemeinsam mit häufigen SE-Lagen im FMA-Quartal zur Norma
lisierung der sturmbedingt (NW: 13 Tage; P 95 ) zu hohen Januartemperaturen. Der auf
grund häufiger C- und NW-Lagen kühle Hochsommer ging in einen milden Altweiber
sommer über, denn A- (25 Tage) und SW-Lagen (22 Tage) dominierten im September
und Oktober. Dies hatte zur Folge, dass die Nordseetemperatur von Juli bis Septem
ber bei 15 °C stagnierte und die saisonale Abkühlung erheblich verspätet einsetzte.