2 Atmosphärenphysik
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System Nordsee
Februar, etc.). Der (geradlinige) Abstand zwischen zwei konsekutiven Zeitmarken di
vidiert durch die Monatslänge in Tagen liefert den monatlichen Vektorwind in m/s. Die
scheinbare Nettoversetzung von etwa 32 000 km im Januar 2005 beispielsweise ent
spricht einer Windstärke von 12.0 m/s aus WzN (282°), während sich aus der Brutto
versetzung (Weglänge entlang der Trajektorie) von 41 400 km eine mittlere Windge
schwindigkeit (Vel) von 15.5 m/s ergibt.
Die Nettoversetzung im Jahr 2005 entspricht einem mittleren Vektorwind von 3.5 m/s
aus W (264°) und Rang 16 im Gesamtensemble (35), welches den Wertebereich von
1.8 (1996) bis 5.7 m/s (1990) abdeckt. Der Endpunkt der Trajektorie befindet sich un
weit des klimatologischen »Schwerpunkts« (3.7 m/s, 256°). Das Jahresmittel des Be
trags der Windgeschwindigkeit lag im Jahr 2005 bei 8.6 m/s und nahm Rang 9 im Ge
samtensemble ein. Die geringsten Windgeschwindigkeiten (Rang 1 - 3) traten mit 7.6,
8.0 und 8.3 m/s 2003,1987 und 1976 auf, die höchsten (Rang 33 - 35) 1986, 2000 (je
9.6) und 1990 (10.0 m/s).
Für ein beliebiges Tagesdatum ergibt sich der klimatologische Vektorwind als resultie
render Wind aus der mit dem Faktor 1/30 skalierten Vektorsumme der zum jeweiligen
Datum gehörigen Winde des Zeitraums 1971 -2000. Die klimatologische Trajektorie
(grün) setzt sich sequentiell aus diesen täglichen Vektormitteln zusammen. Der End
punkt jedes der 365 Teilstücke definiert den »Schwerpunkt« der Punktwolke des En
sembles am jeweiligen Tag, wie beispielhaft anhand der ausgezeichneten finalen
Punkte der individuellen Trajektorien erahnbar ist (Abb. 2-13). Wie für die jährlichen Tra-
jektorien lassen sich mittlere Vektorwinde aus den (geradlinigen) Abständen zwischen
beliebigen Zeitmarken ableiten. Während sich jedoch für jene aus der Bruttoverset
zung auch die mittlere Windgeschwindigkeit ergibt, trifft dies für die klimatologische
Trajektorie nicht zu 1 .
Die klimatologische Trajektorie bietet eine kompakte Zusammenschau der jahreszeit
lichen Veränderungen der atmosphärischen Aktionszentren (Islandtief und Azoren
hoch) im Nordatlantik. Die Variationen bzgl. Lage und Intensität dieser quasiperma
nenten Druckgebilde, die sich im Verlauf der Trajektorie spiegeln, wurden bereits im
Rahmen der Diskussion der klimatologischen Luftdruckverteilungen erörtert (vgl. 5. 51
und Abb. 2-9,5.53). Die Trajektorie gliedert sich in drei Abschnitte. Gleichförmig kräftige
Winde aus WSW prägen von Oktober bis März die kalte Jahreshälfte, die unvermittelt
in die Stagnationsperiode im April und Mai übergeht, in deren Verlauf sich der Einfluss
des Azorenhochs durchsetzt. An dessen Nordrand auftretende schwache WNW-Win-
de charakterisieren ab Juni den Durchschnittssommer.
Bei Interpretation und Einschätzung des Trajektorienverlaufs im Jahr 2005 ist zu be
achten, dass Teilabschnitte dann gut mit dem klimatologischen Verlauf übereinstim
men, wenn sie sich durch Parallelverschiebung annähernd zur Deckung bringen las
sen, also sowohl hinsichtlich Abschnittslänge als auch Richtung ähnlich sind. Dies trifft
tatsächlich nur im Juni, Juli und September und mit Einschränkung im November zu.
Die gravierendsten Abweichungen von der Klimatologie ereigneten sich im Winter und
Herbst. Die starke Westzirkulation, die bereits Anfang Dezember 2004 einsetzte (Lo-
7. Bei einer Gesamtlänge von 7 508 m/s x Tag ergäbe sich beispielsweise im Jahresmittel eine Windgeschwin
digkeit von nur 4.1 m/s, welche die aus dem 30-jährigen Mittel der Weglängen der Elnzeltrajektorlen berechnete kor
rekte Geschwindigkeit von 9.0 m/s erheblich unterschreitet. Die Diskrepanz resultiert aus der »Unterschlagung«
täglicher »Umwege«. Werden die täglichen Tellstücke durch die skalierten Seguenzen der jeweils 30 zugrunde liegen
den Vektoren ersetzt, führt dies zu einer »Entglättung« der klimatologischen Trajektorie, deren Länge von 3299 m/
s x Tag (schwarz) dann zur korrekten mittleren Windgeschwindigkeit passt.