2 Atmosphärenphysik
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System Nordsee
2.1 Einführung
Die Atmosphäre ist der Motor, der die Entwicklung des ozeanographischen Zustands
der Nordsee wesentlich antreibt und steuert. Besonderheiten und Anomalien der at
mosphärischen Zirkulation stehen vielfach am Anfang von Wirkungsketten, die sich
über ozeanographische Zustandsvariablen, Verteilungsmuster von Schad- und Nähr
stoffen bis hin zu biologischen Phänomenen wie Planktonblüten oder Veränderungen
in der Artenzusammensetzung erstrecken.
Die Interpretation ozeanographischer Zustandsanomalien setzt also Kenntnisse über
den Zustand der Atmosphäre voraus. Ein wichtiger Zustandsindikator ist der Nordat
lantische Oszillationsindex. Dessen Aussagekraft beschränkt sich jedoch auf die kalte
Jahreszeit, wenn die atmosphärische Zirkulation hinreichend stark ist, um eine spür
bare Fernwirkung in der Nordseeregion zu erzeugen (Loewe et al. 2003). Eine zuver
lässigere Bestimmung des Zirkulationszustands ergibt sich aus der differenzierten
Analyse der großräumigen Luftdruckverteilungen über der Nordsee selbst. Diese bil
den die Basis für die Klassifizierung täglicher Großwetterlagen, die Identifizierung von
Sturmereignissen, aber auch für monatliche und saisonale Wetterlagenstatistiken. Für
diese längeren Zeitskalen wurden darüber hinaus Luftdruckklimatologien bestimmt,
welche die Identifizierung und Bewertung aktueller Zirkulationsanomalien ermögli
chen.
Weitere Schwerpunkte des Kapitels bestehen in der statistischen Analyse des für die
Region Nordsee repräsentativen >Nordseewindes< sowie in der erstmals präsentierten
Langzeitentwicklung des Sturmaufkommens im Nordseeraum. Der Nutzen der über
die allgemeine atmosphärische Zirkulation gewonnenen Kenntnisse wird schließlich
im Rahmen der Interpretation von Jahresgängen der Lufttemperatur sowie der Son
neneinstrahlung auf Norderney demonstriert.
Weitere Beiträge zu Wind- und Zirkulationsbedingungen werden unter Meeresphysik
(Kap. 3, S. 79) angeboten, wo sie im Zusammenhang mit Strömungsmustern in der
Deutschen Bucht (3.2.4, S. 86), Seegang (3.3.3, S. 96) und Meerestemperatur (3.5.5,
5.126) diskutiert werden. Zusammenhänge zwischen der langzeitlichen Sturm- und
Hochwasserstandsentwicklung werden in Abschnitt 3.4.3,5.106 aufgezeigt. Atmosphä
rischen Ursachen für Zustandsanomalien anderer physikalischer oder chemischer Va
riablen wird ggf. im Rahmen der Diskussion der jeweiligen Zustandsgröße Rechnung
getragen.
Zusammenfassungen der jeweiligen Hauptkapitel finden sich gesammelt ab 5.74.