3 Meeresphysik
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System Nordsee
sich nicht mit den eher durchschnittlichen Abflussraten der Elbe erklären, befinden
sich jedoch im Einklang mit der zeitlich parallelen Entwicklung des um etwa 1 PSU hö
heren Salzgehalts auf der nur 15 sm westlich verankerten MARNET Station »Deutsche
Bucht<. Die sehr geringen Salzgehalte im Januar / Februar sind konsistent mit der auf
fälligen Westausbuchtung der Elbfahne um die Monatswende (Abb.4-6,S. 163), die
durch flächendeckende Messungen belegt ist (FS Gauß #432) und durch den um die
se Zeit antizyklonalen Strömungscharakter verursacht wurde (Tab. 3-1, S. 88). Die an
schließende drastische Zunahme des Salzgehalts bei Helgoland Reede um über 2
PSU auf 33.4 im April ist offenbar Folge des permanenten Einstroms salzreichen Was
sers durch die Doverstraße und den Westrand der Deutschen Bucht, der in Verbin
dung mit dem Sturmtief vom 7. April Stärken von bis zu 0.6 Sv erreichte (Abb. 3-2, S. 84).
Auch die deutlich erhöhten Salzgehalte im Oktober / November sind auf persistente
ostgerichtete advektive Salztransporte unter andauerndem südwestlichen Windan
trieb zurückzuführen (Abb. 2-13, S. 61). Die Beständigkeit dieser Transporte zeigt sich
auch in der geringen intramonatlichen Spannweite des Salzgehalts (Abb. 3-37).
3.6.6 Zusammenfassung
Im Winter 2005 war die Nordsee bis in den Bereich der Doggerbank mit salzreichem
Wasser atlantischen Ursprungs gefüllt. Die relative Nordseefläche mit bodennahen
Salzgehalten > 35 erreichte eine Rekordausdehnung von 63 % in der 1999 beginnen
den Zeitreihe. Das starke südwärtige Vordringen von Atlantikwasser stand in ursäch
lichem Zusammenhang mit unverändert hohen Salzgehalten im Nordostatlantik, ei
nem erheblichen Sturmaufkommen im Dezember und Januar und massiven Volumen
transporten über den Nordwestrand. Eine ausgeprägte vertikale Schichtung des
Salzgehalts wurde im August 2005 in der nordöstlichen Nordsee beobachtet. Dieses
vom Baltischen Ausstrom beeinflusste Seegebiet erstreckte sich mit Deckschichtsalz
gehalten von durchweg < 34 deutlich weiter nach Süden (57° N) und Westen (2° E) als
im Vorjahressommer.
Charakteristisch für die Zeitreihe des Salzgehalts im »Fair Isle Current< im nordwestli
chen Einstromgebiet von Atlantikwasser sind Quasizyklen mit Perioden von 6-9 Jah
ren, deren negative Phasen mit den »Großen Salzgehaltsanomalien< im nördlichen
Nordatlantik assoziiert sind. Für derartige, von zyklischen Schwankungen dominierte
Zufallsgrößen treten starke Abweichungen vom mittleren Zustand (Anomalien) weit
häufiger auf als bei Gaußprozessen. Die mit dem Anomaliekonzept verbundene Vor
stellung von Außergewöhnlichkeit und Seltenheit ist insofern abwegig, als nicht der
mittlere Schwingungszustand, sondern starke Abweichungen davon den (wahrschein
lichsten) Normalzustand repräsentieren.
Im Januar 2005 endete für die Elbe eine Phase geringer Wasserführung, die seit April
2003 angedauert hatte. Der Gesamtabfluss der Elbe entsprach mit 21 km 3 /a dem
langjährigen Mittel und auch die monatlichen Abweichungen von der Klimatologie wa
ren unauffällig gering. Die im Frühjahr und Herbst deutlich erhöhten Salzgehalte im
Seegebiet um Helgoland, welches typischerweise, aber keineswegs ständig, im Ein
flussbereich des Elbeausstroms liegt, sind auf stationäre advektive Salztransporte
durch die Doverstraße und den Westrand der Deutschen Bucht zurückzuführen.