Seilkopf, H.: Meteorologische Flugerfahrungen im nordwestlichen Deutschland. 83
am 16. März treffe ich unter Herrn Kommolls Führung trotz allgemeiner Besserung
der Wetterlage im Abschnitt Gardelegen einen von Süden nach Norden sich lang
erstreckenden Streifen schlechten Wetters mit sehr niedrigen Wolken und starkem,
die Sicht erheblich herabsetzendem Schneefall, während westlich und östlich davon
bei hohen Wolken ausreichende bis gute Sicht herrschte.
Seibst im Nachtflugverkehr, den der Deutsche A@ro-Lloyd im Sommer 1925
zwischen Berlin und Hamburg betrieb, hat sich der Gebietsstreifen Schwerin—
Wittenberge—Gardelegen durch schlechte Witterungsverhältnisse störend be-
merkbar gemacht. In der Nacht vom 10. zum 11. Juli 1925 muß das Berliner
Flugzeug bei Ludwigslust infolge von Nebel und Regen notlanden. In der Nacht
vom 31, Juli zum 1, August kehren beide von Berlin und Hamburg anfliegende
Maschinen in der Gegend von Wittenberge infolge von Nebel und Regen um; in
der Nacht vom 11. zum 12. August muß das Hamburger Flugzeug bei Boizen-
burg, das Berliner bei Ludwigslust infolge von Nebel notlanden. Und am 9./10. Sep-
tember und 23./24. September müssen die von Berlin kommenden Maschinen,
durch Nebel behindert, südöstlich von Wittenberge notlanden.
Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß das Gebiet Schwerin— Witten-
berge—Gardelegen in vielen Fällen die Grenze der Reichweite ozeanischen Ein-
flusses darstellt; bei vielen Wetterlagen scheint der Einfluß ozeanischer Luft-
massen nur so weit ostwärts zu reichen, Aus dem Wetterdienst ist bekannt, daß
im Winter die Frostgrenze häufig an der westlichen Ostsee längs der mittleren
Elbe zum Mittelgebirgsrande verläuft, und daß Tiefausläufer sich in diesem Gebiete
häufiger auffüllen, ohne ostwärts vorzurücken, Sodann findet Langbeck bei der
Untersuchung regionaler Verschiedenheiten in der Entstehung der Gewitter in
Norddeutschland’), daß im Mai und Juni das nordwestliche Küstengebiet, von
Juli an das Binnenland verhältnismäßig stärker an der Gewitterbildung beteiligt
ist; als Grenze gibt Langbeck etwa die Linie Stettiner Bucht—BEifel an, die
unsere Gegend ebenfalls an der mittleren Elbe schneidet. Diese Erfahrungen
bestätigen also die in der Flugberatung gewonnenen Beobachtungen.
Als weitere Wetterscheiden treten in dem beobachteten Gebiete bei manchen
Wetterlagen der Teutoburger Wald und der Harz mit seiner östlichen Abdachung
hervor, indem sie häufiger Gebiete guten und schlechten Wetters zu trennen scheinen.
Aufwindverhältnisse an den nordfriesischen Inseln.
Die vorherrschenden südwestlichen bis westlichen Winde erzeugen an den
der schleswigschen Westküste vorgelagerten nordfriesischen Inseln kräftige Auf-
winderscheinungen. Über der Dünenkette der langgestreckten Insel Sylt und über
dem südlicheren Amrum kann man vielfach Reihen von Haufenwolken stehen
sehen, die ihre Bildung dem Aufwind verdanken. Der Aufwind wird zunächst
durch die mechanische Hebung der Stromlinien am Luvhange der Dünenzüge
gebildet (Hangwind). Verstärkt wird der Hangwind zweifellos durch die Rei-
bungsunterschiede, die der Luftströmung beim Übertritt von See auf Land eine
negative Beschleunigung erteilen und so eine zusätzliche Aufkomponente ergeben.
Vielleicht wirkt außerdem noch das Aufsteigen der am Strande und halbem Dünen-
hange stark erhitzten Luftmassen mit, so daß auch noch thermischer Aufwind
hinzutritt. Der Aufwind ist über dem Dünenkamm so stark, daß leichtere Flug-
zeuge mit stark gedrosseltem Motor in der Aufwindzone im Gradeausflug gehalten
werden können,
Aber nicht nur über Sylt und Amrum stehen häufig Haufenwolken, sondern
auch über der flachen Insel Föhr, meist in Form einer mächtigen Haufenwolke.
Bei der geringen Erhebung der Insel über dem Meere kommt ein Hangwind nicht
in Frage. Auch thermischer Aufwind dürfte bei der im wesentlichen mit einem
grünen Teppich feuchter Wiesen bedeckten Insel nicht oder nur in sehr geringem
Maße mitwirken. Die Haufenwolke über Föhr verdankt ihre Entstehung ganz
überwiegend dem Reibungsaufwind: Über Sylt und Amrum werden die auf-
treffenden Luftmassen gebremst, während sie durch die dazwischenliegende Lücke
des Vortrapptiefs ungehindert weiterströmen können. Diese ungehinderte Strömung
i) K. Langbeck. Met, Zeitschrift. 1922, S. 257.