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Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie usw. 1926,
Praxis der Flugberatung von Castens in dieser Zeitschrift!) veröffentlicht worden.
Ergänzt wurden die Streckenerfahrungen durch eine Anzahl von Flügen des
Berichterstatters, der auf allen drei Stellen des Flugwetterdienstes der Seewarte
in Nordwestdeutschland tätig war.
Bei der Durchführung der meteorologischen Beratung zeigte sich bald, daß
die Wettermeldungen der Beobachtungsstellen nur in unvollkommener Weise
ein Bild von dem Wetterzustande längs der ganzen Flugstrecke liefern.
Und noch im vergangenen Winter ist bei einer Diskussion in der Tagespresse
über den Wert des Wetterdienstes für den Luftverkehr die Forderung erhoben
worden, die Beobachter so melden zu lassen, daß ihre Beobachtungen dem vom
Flugzeugführer tatsächlich angetroffenen Wetter entsprechen. Aber man vergißt
hierbei leicht, daß, ganz abgesehen von den zeitlichen Änderungen zwischen
Meldezeit und Flugzeit, bei den Beobachtungen der Flugzeugführer die Höhe von
meist einigen Hektometern, bei den Beobachtungen der Meldestellen dagegen die
Erdoberfläche als Bezugsfläche erscheint, und sich schon aus diesem Unterschiede
in der Vertikalerstreckung Differenzen in der Beobachtung ergeben müssen.
Besonders wichtig für den Luftverkehr sind die Angaben von Sichtweite und
Wolkenhöhe, Der Bodenbeobachter meldet die horizontale Sichtweite; die Messung
der Vertikalsicht von unten nach oben nach der Wigandschen Methode ist ein
zeitraubender, geübte Beobachter und erhebliche instrumentelle Ausrüstung er-
fordernder physikalischer Versuch und deshalb in einem größeren Stationsnetz
nicht anwendbar. Der Flugzeugführer hat es aber streng genommen weder
mit der einen noch mit der anderen zu tun, denn seine Sicht schräg voraus
nach unten hängt von der Kontrastsichtigkeit des gerade angepeilten Objektes
und der Beleuchtung des dazwischenliegenden, vertikal meist unstetig verteilten
Dunstes ab. Auch bei der Wolkenhöhe zeigen sich zuweilen erhebliche Unter-
schiede zwischen den Angaben der Streckenmeldestellen und den tatsächlich auf
dem Fluge angetroffenen Verhältnissen, selbst wenn die Bodenbeobachter richtig
melden. Die untere Wolkengrenze ist keine mathematische Fläche, sondern sie
weist im Verhältnis zur Erdoberfläche ganz bedeutende Schwankungen auf, die
durch Strömungs-, Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse bedingt sind.
Die bereits vorliegenden reichen meteorologischen und klimatologischen
Beobachtungsreihen gestatten daher nur bis zu einem gewissen Grade Rück-
schlüsse auf Wind- und Wetterverhältnisse längs einer Fluglinie, ganz abgesehen
davon, daß Sichtigkeits- und Wolkenhöhen-Beobachtungen vor Einsetzen des
Flugwetterdienstes nur an ganz wenigen Stellen durchgeführt worden sind. Es
kommt daher in erster Linie jetzt darauf an, Beobachtungen vom Flugzeuge
aus und Streckenerfahrungen zu sammeln und dann zu versuchen, die daraus
gewonnenen Ergebnisse in Beziehung mit den bisherigen meteorologischen, aero-
logischen und klimatologischen Erfahrungen zu setzen,
Örtliche Schlechtwettergebiete.
In dem betrachteten Gebiete — umgrenzt durch die Endpunkte der von
Hamburg und Hannover ausgehenden Fluglinien: Kopenhagen, Stettin, Berlin,
Leipzig, Frankfurt a. M., Essen, Amsterdam — treten längs der Flugstrecke
eine ganze Anzahl Geländeabschnitte hervor, die besonders häufig von Schlecht-
wetter betroffen werden; „Schlechtwetter“ vom fliegerischen Standpunkt beur-
teilt: Nebel, sehr niedrige Wolken, starke Niederschläge, Böigkeit. Zusammen-
fassen kann man die Schlechtwettergebiete etwa zu folgenden Gruppen:
1. Hügelgelände in Küstennähe; 2. Flußmündungsgebiete an der südlichen
Nordseeküste; 3. Gebiete großer Wälder, Moore und Seen; 4. Übergangsgebiete
vom Flachlande zum Bergland; 5. Größere Erhebungen der Mittelgebirge; 6. In-
dustriegebiete:
1. Hügelgelände in Küstennähe.
An den von Hamburg ausgehenden Flugstrecken handelt es sich um folgende
Gebiete: An der Westerland-Strecke die steil aus den Marschen an der Stör
25 Castens, Aus der Praxis des Hamburger Flughafen-Meteorologen (Tagebuchauszüge),
Ann. d. Hydr. usw, 1924, S. 241—244,