Seilkopf, H.: Metecorologische Flugerfahrungen im nordwestlichen Deutschland, 7E
Meteorologische Flugerfahrungen im nordwestlichen Deutschland.
Von Heinrich Seilkopf, Hamburg.
Bereits vor dem Weltkriege hat die Deutsche Seewarte in Hamburg Luft-
fahrtunternehmungen im Küstengebiete meteorologisch beraten. Als nach dem
Kriege der langsam sich entwickelnde Flugverkehr auch Hamburg in sein Netz
einbezog, wurde diese Tätigkeit der Seewarte allmählich wieder aufgenommen.
Seit dem Sommer 1921 werden die in Hamburg startenden Verkehrsflugzeuge
regelmäßig wetterkundlich beraten. Während es aber zunächst nur möglich
war, die Beratung vom Hauptgebäude der Seewarte am Hafen aus fernmündlich
durchzuführen, ist mit Beginn des Sommerluftverkehrs 1924 eine Flugwetter-
warte auf dem Hamburger Flughafen Fuhlsbüttel eingerichtet worden, von der
vor jedem Start Flugleiter und Flugzeugführer durch Fachmeteorologen Wetter-
übersichten und Streckenvorhersagen erhalten. Im Sommer 1924 wurde sodann
ron der Seewarte auf dem Flugplatz Hannover-Vahrenwalder Heide eine Flug-
wetterwarte aufgestellt, nachdem der Platz bereits seit Durchführung der Flug-
linie Berlin—Hannover— Amsterdam bzw, Rotterdam von Hamburg aus drahtlos
beraten war, und Ende 1925 wurde der Flugwetterdienst des Flugplatzes Stettin
übernommen, Im Osten beraten die auf dem Flugplatz Devau gelegene Wetter-
warte Königsberg sowie die kürzlich eingerichtete Flugwetterwarte Elbing, die
beide der Seewarte unterstellt sind, den Luftverkehr, doch soll im folgenden
nur über die nordwestdeutschen Strecken berichtet werden.
Während der fünf Jahre, in denen die Seewarte mit ihren Zweigstellen den
größten Teil des Luftverkehrs in Nordwestdeutschland und im Küstengebiet be-
reits beraten hat, konnte eine Reihe von meteorologischen Erfahrungen ge-
sammelt werden. Diese Streckenerfahrungen beruhen einerseits auf den Berichten
der Flugzeupglührer über das auf ihrem Fluge angetroffene Wetter, andererseits
auf den im Laufe der Jahre mehr und mehr verdichteten und den besonderen
Anforderungen des Luftverkehrs angeglichenen Beobachtungen der Meldestellen
des Flugweiterdienstes, dessen Aufbau und Arbeit jedoch außerhalb des Kreises
der Beobachtungen bleiben soll, Wiederholt ist versucht worden, von den Flug-
zeugführern selbst schriftliche Notizen über das Wetter während des Fluges zu
erhalten, etwa gleich auf dem zum Fluge mitgegebenen Wetterzettel mit Strecken-
beobachtungen und Flugvorhersage; jedoch sind nur in ganz wenigen Fällen
solche Notizen eingegangen. Der Führer ist eben mit Steuerung, Gleichgewichts-
haltung und Ortung während des Fluges viel zu beschäftigt, als daß er neben-
bei noch Aufzeichnungen über das Wetter machen könnte; eher wäre dies schon
möglich in Maschinen mit mehreren Führern, Nach der Landung ist der Führer
[roh, nach Erledigung der notwendigsten schriftlichen Formalitäten sich etwas
Erholung gönnen zu können; häufig ist nach kurzer Zeit der Weiterflug fällig.
Bewährt hat sich indessen das Verfahren, daß der diensthabende Meteorologe
den Führer nach der Landung nach dem Weiter an der Strecke fragt, wobei
eine kurze Aussprache über Wetter und Luftzustände oft weit mehr ergibt als
selbst ein längerer, schriftlich fixierter Bericht und dabei das meteorologische
Verständnis des Führers und fliegerische Verständnis des Meteorologen fördern
kann. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß der Eindruck vom Wetter
bei zwei Führern auf gleicher Strecke zur gleichen Zeit, namentlich bei zweifel-
haftem Wetter, zuweilen recht verschieden ist; während der eine „noch ganz
gutes“ Weiter berichtet, hat der andere tiefliegende Wolkendecken und Regen-
böen als Erschwerung des Fluges empfunden, Ein objektives Wetter gibt es
eben nicht, weder für den Flugzeugführer, noch für den Meteorologen, Wir
können wohl den Gang der meteorologischen Elemente messend verfolgen, An-
gaben über Wolkenhöhe und Sichtweite liefern; das Zusammenspiel aller dieser
Faktoren wird subjektiv beurteilt.
Niedergelegt werden die Erfahrungen in Tagebüchern, die an den drei Flug-
wetterwarten der Seewarte geführt werden, und die sich nicht nur als Sammlung
von Beobachtungsmaterial, sondern auch für Rückfragen und Auskünfte bewährt
haben; aus dem Hamburger Tagebuch sind bereits einige Beispiele aus der