Kuhlbrodt, E.: Die Deutsche Atlant. Exped, auf d, Vermessungs- u. Forschungsschiff „Meteor“. 59
platten mit passendem Messingansatz vorhanden, die auf dem Stativkopf drehbar
befestigt werden, so daß Schlingertische entstehen (für Strahlungsmessungen).
2, Das Handspiegelgerät. Bei Sturm und schwerer See, wenn das Schiff heftig
zchwankte und allenthalben Spritzer über Deck gingen, war es öfter nicht möglich,
den Spiegeltheodoliten aufzustellen. Es trat dann das Handspiegelinstrument der
Seewarte in Funktion; es ist als umgekehrter Sextant ganz entsprechend gebaut
wie der Aufsatzsextant des Spiegeltheodoliten, nur einfacher und mit einem Hand-
griff versehen, Es wird zum ständig angepeilten Ballon gerichtet, das Kimmbild
dann zum Ballon hinaufgebracht und so der Höhenwinkel gemessen (das Azimut
muß vom Peilkompaß aus bestimmt werden), Dieses Instrument leistet auch vor-
zügliche Dienste bei den Drachenaufstiegen zur regelmäßigen Messung der Höhen-
winkel, es ist bei den Schiffsschwankungen wesentlich genauer als der an Land
gebräuchliche Pendelquadrant,
3. Der Entfernungsmesser., An geeigneten Tagen werden die Ballone zur
Bestimmung der nicht genau bekannten Steiggeschwindigkeit auch mit einem
Basisgerät angeschnitten, Es sind zwei Instrumente an Bord vorhanden, eins
mit 3 m-, das andere mit 1,5 m-Basis, und zwar sind es Raumbildentfernungs-
messer (Stereotelemeter), bei welchen eine räumlich gesehene Wandermarke auf
den Ballon eingestellt wirdl). Die anderen Systeme sind bei der mehr oder
weniger starken Bewegung des Ballonbildes bei weitem nicht so geeignet, ferner
ist bei diesen das Gesichtsfeld kleiner (halb so groß) und zudem tritt bei ein-
äugigem Beobachten leicht Ermüdung und Blendung ein. Die Raumbildentfer-
nungsmesser verlangen allerdings besonders ausgebildete und gut geübte Be-
obachter; diese wurden von der Marine zur Verfügung gestellt, Die Instrumente
haben schrägen Einblick, so daß auch bei großen Höhenwinkeln die Messung noch
möglich ist, Da die schweren Geräte auf festem Stativ aufgestellt werden müssen,
ist bei stärker schwankendem Schiff die Beobachtung schwierig; wir benutzen
sie daher nur an Tagen, an welchen das Schiff einigermaßen ruhig liegt, und
zwar bei weniger günstigem Wetter das kleine, an ruhigen, klaren Tagen das
große Gerät, Der Azimutkreis des Stativs wird, entsprechend wie beim Spiegel-
theodoliten, so eingestellt, daß das Basisgerät bei 0° Azimut in Richtung der
Schiffsachse zum Bug zeigt. Hierdurch ist es möglich (wie es bei der „gebrochenen“
Bewölkung auf See oft notwendig ist), daß die Beobachter am Theodoliten und
am Entfernungsmesser sich gegenseitig helfen beim „Wiedereinfangen“ des zeit-
weise durch Wolken verdeckten Ballons. Die mechanische Höhenrichtvorrichtung
hat sich wegen der Schiffsschwankungen für die Ballonvisierung nicht als zweck-
mäßig erwiesen; es wird daher mit der Hand gerichtet, Für die Geräte sind
zanz entsprechend wie beim Theodoliten Sätze von Farbfiltern vorhanden; ein
an der Basis fest justiertes binokulares Fernrohr mit großem Gesichtsfeld (auch
mit Farbgläsern) dient als Sucherfernrohr, Bei nicht zu schlechtem Wetter bleibt
das Gerät in wasserdichtem Bezug gebrauchsfertig an Deck.
4. Die Ballone, Wie schon erwähnt, wird regelmäßig ein Aufstieg am Vor-
mittag und einer am Nachmittag gemacht; die Termine sind aber nicht festliegend,
sondern es werden, um möglichst große Höhen zu erreichen, geeignete Momente
in der Bewölkung abgepaßt. Das ständige „Auf-der-Lauer-Liegen“ nach solchen
günstigen Augenblicken ist zwar für die sonstige Arbeit recht störend und bedingt
besonderen Energieverbrauch, verbessert aber das Ergebnis wesentlich, Haupt-
bedingung ist hierbei, daß die Aufstiege schnell gemacht werden, und dies wird
dadurch erreicht, daß man große Ballone benutzt, diese aber nicht zu sehr auf-
bläst, Bei diesem Verfahren kann man einmal ziemlich rasch auffüllen, ohne
Gefahr zu laufen, daß die Ballone schon beim Füllen platzen; dann hat man
Garantie, daß die allgemeine Platzhöhe sehr groß ist, und hat dabei doch, was
das Wesentliche ist, eine große Steiggeschwindigkeit (siehe hierüber Abschnitt 5).
Schließlich sind große Ballone besser zu sehen und länger zu verfolgen als kleine,
Die Mehrkosten stehen in keinem Vergleich zu der viel geringeren Zahl von
Platzern und dem wesentlich besseren Ergebnis der Messungen bezüglich der
erreichten Höhen,
Y Siehe A, König: Die Fernrohre und Entfernungsmesser, Berlin 1923 (J, Springer), 8. 167 ff.